„Grundeinkommen – alternativlos?“ – dieser Frage stellte sich eine spannende Diskussionsrunde in der Reihe JBZ-Zukunftsbuch. Ein Seminar mit 30 Teilnehmenden war  geplant, gekommen  sind über 70 Interessierte. Hier ein Bericht sowie Audio-Mitschnitte.

Es mag verwegen sein, angesichts der Kürzung von Sozialleistungen und einer Politik der Stimmungsmache auf dem Rücken der wirtschaftlich Schwächsten über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu diskutieren. Wir sehen darin jedoch ein wichtiges Zukunftsthema im Kontext von Digitalisierung, der Debatte über (Post)-Wachstum und der Zukunft der Arbeit. Daher luden wir zu dieser Pro-Contra-Diskussion ein.

Klaus Firlei: Entkopplung von Erwerbsarbeit und sozialer Sicherung ist problematisch

In seinem Beitrag „Grundeinkommen versus Mindestlohn“ zu einem im ÖGB-Verlag erschienenen Band der Universität Salzburg bringt Univ.Prof. Klaus Firlei kritische Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) vor. Das BGE passe nicht in das österreichische und europäische Sozialstaatsmodell, das auf Erwerbsarbeit basiere und Sozialleistungen in der Regel an diese kopple, bekräftigte Firlei in der Diskussion mit Vertreterinnen eines BGE sowie von AK und Gewerkschaft . Er brachte auch ethische Argumente vor, da unsere Gesellschaft auf dem Konsens beruhe, dass jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten einen wirtschaftlichen Beitrag leiste. Zudem bestehe die Gefahr, dass jene, die im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht mehr gebraucht werden, ruhig gestellt würden, während die Bedingungen für ArbeitnehmerInnen weiter erodieren. Die rechtliche Realisierbarkeit eines BGE sei nicht gegeben, die Gesellschaft müsse gerade aus linker Perspektive Arbeit steuern und organisieren, der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Leistungen und Entlohnung oder Sozialleistungen dürfe daher nicht gekappt werden.  Firlei plädierte vielmehr für eine Art „mixed economy“, in der nicht am Markt erbrachte Leistungen in Bereichen wie Kinderbetreuung, Pflege, Bildung und Kultur in einem ausgeweiteten Non Profit-Sektor angeboten werden sollten und hier neue Arbeitsplätze entstehen würden.

 

Andrea Trenkwalder: Das Grundeinkommen sichert die Grundbedürfnisse und ermöglicht den Ausbau nicht monetärer Tätigkeiten

Von diesen am Markt nicht erbrachten Leistungen aus argumentierte FH-Prof. Andrea Trenkwalder vom Management Center Innsbruck eben für ein Grundeinkommen. Viele Leistungen würden auch heute zwischen Menschen nicht nach dem Tauschprinzip erbracht, sondern ohne unmittelbare Gegenleistung, etwa in der Kindererziehung oder im Freiwilligenengagement. Diese Tätigkeiten funktionierten, so Trenkwalder, nach dem Prinzip der Gabe: Menschen tun etwas für andere im Vertrauen, dass diese wiederum für andere etwas tun werden. 46 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen seien irgendwo freiwillig engagiert. Durch ein Grundeinkommen würde dieser Sektor ausgeweitet, überdies wäre damit das Ziel einer menschenwürdigen Gesellschaft, nämlich die Sicherstellung der Grundbedürfnisse für alle, erreicht. Die „Gabe“ passe nicht zu unserem marktwirtschaftlichen Denken, könnte jedoch die Gesellschaft bereichern und der Ökonomisierung von immer mehr Tätigkeiten entgegenwirken. Erwerbsarbeit würde zurückgehen, die Dichotomien zwischen öffentlich und privat sich immer mehr auflösen, neue Formen der Gegenseitigkeit entstehen.

 

Georg Sorst: Das Grundeinkommen ist eine zeitgemäße Antwort auf den technologischen Fortschritt

Georg Sorst vom Runden Tisch Grundeinkommen argumentierte ökonomisch. Immer mehr Arbeitsstress bei den einen, Arbeitslosigkeit bei den anderen würde die Gesellschaft spalten und zudem einem guten Leben für beide Gruppen abträglich sein. Die Befriedigung der Bedürfnisse sei mit immer weniger Arbeit möglich, die Digitalisierung werde zwar neue Jobs schaffen, aber noch mehr vernichten, so der IT-Experte. Ein Grundeinkommen für alle könnte die Existenzsicherung gewährleisten jenseits des Zwangs immer neue Arbeitsplätze schaffen zu müssen. Die absolute Armut würde beendet, der technische Fortschritt allen Menschen zu Gute kommen. Das BGE ist für Sorst nicht das Ende des Kapitalismus sowie der Lohnarbeit, sondern deren Anpassung an neue technologische Bedingungen und die Möglichkeit, Bereiche wie Care-Arbeit besser verrichten zu können, aber auch das notwendige Umlernen für die digitale Wende ermöglichen.

 

Stefan Bogner: Neoliberale Modelle sind zu unterscheiden von emanzipatorischen Modellen, doch Erwerbsarbeit ist gesellschaftsintegrierend

Stefan Bogner von der AK Salzburg unterschied neoliberale Modelle eines BGE, die letztlich auf den Abbau von Sozialleistungen und eine weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes zielen, von emanzipatorischen Modellen, die der Armutsvermeidung bei gleichzeitigem Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung dienten. Man müsse daher darüber sprechen, welche Ansätze des Grundeinkommens vorgeschlagen werden. Grundsätzlich habe Erwerbsarbeit auch eine gesellschaftlich und sozial integrierende Funktion, bei Langzeitarbeitslosen bestehe die Gefahr der sozialen Verarmung, die durch ein Grundeinkommen bei bestimmten Zielgruppen bleiben würde.

 

Gerald Forcher: Für ein Grundeinkommen sind keine Mehrheiten in der Politik aber auch in der Bevölkerung zu finden

Gerald Forcher von der Gewerkschaft der Privatangestellten Salzburg berichtete, dass es derzeit in den Gewerkschaften keine Mehrheiten für ein BGE gäbe und diese auch nicht in der Gesellschaft zu finden seien, was eine politische Durchsetzung ohne

dies irreal erscheinen lasse. Die Neiddebatten um die bestehende Mindestsicherung sei Beleg dafür. Die Gewerkschaften würden sich auf die Erhöhung der Mindestlöhne durch gute Kollektivverträge in allen Branchen konzentrieren. Zudem seien politisch die steigenden Lebenskosten, insbesondere im Bereich der Mieten, in den Blick  zu nehmen.

 

Faire Verteilung des Erwirtschafteten – neue Arbeitszeitmodelle und Übergänge zu einer Grundsicherung für alle

Einigkeit herrschte am Podium darüber, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt weiter verändern werde und innovative Lösungen gefunden werden müssen. Eine

faire Verteilung des Erwirtschafteten müsse eine zentrale Forderung an die Politik bleiben. Die Kontroversen zum BGE entzündeten sich zum einen am Menschenbild, also an der Frage, ob wir mit einem Grundeinkommen verantwortungsvoll umgehen würden, zum anderen an unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen – hat in einer insgesamt sehr reichen Gesellschaft jeder Mensch das Recht auf ein freies Minimumeinkommen oder bricht dies mit dem unsere Gesellschaften zusammenhaltenden Leistungsprinzip? Mit der Frage, was als sinnvolle Arbeit bezeichnet wird, war auch die ökologische Dimension berührt: Ist das gegenwärtige Wachstumsmodell überhaupt fortsetzbar, könnte ein BGE dem Wachstumsdrang entgegenwirken (in der Diskussion illustriert am Beispiel „Bienen züchten oder noch mehr Autos verkaufen?“) bzw. fordert dieses noch mehr Wirtschaftswachstum, um dieses finanzieren zu können?

In der anregenden Diskussion mit den über 70 Teilnehmenden wurden mehrfach Alternativen zum bzw. Übergänge in Richtung Grundeinkommen angesprochen: Etwa Arbeitszeitverkürzungen mit oder nur bedingtem Lohnausgleich (für die höheren Einkommen), neue Arbeitszeitmodelle, die den jeweiligen Lebensbedingungen der Menschen gerecht werden, oder die Ausweitung von Karenzmodellen sowie von Transferleistungen für gesellschaftlich  notwendige und sinnvolle Tätigkeiten.

Wir danken allen Teilnehmenden – am Podium wie im Publikum – für die engagierten und differenzierten Beiträge sowie den Mitveranstaltern, dem IFZ, der KHG und der AK Salzburg für die Kooperation. Die Debatten über das BGE und Alternativen dazu werden weitergehen – so konnten Fragen der Finanzierung nur am Rande angesprochen werden.

Weiterführende Tipps

Auf unserer Website www.prozukunft.org finden Sie zahlreiche Buchbesprechungen zum Thema Grundeinkommen. In Arbeit ist die Aufbereitung eines Audiomitschnitts von der Veranstaltung. Am Runden Tisch Grundeinkommen Salzburg der sich jeweils am 2. Mittwoch im Monat im ABZ, Haus der Möglichkeiten (Kirchenstr. 34) trifft, werden unterschiedliche Modelle eines BGE diskutiert. Bereits jetzt hingewiesen sei auf einen im Herbst 2018 von der JBZ gemeinsam mit Gemeindeentwicklung Salzburg und attac geplanten Lehrgang „Wirtschaft verstehen – Wirtschaft gestalten“, der in den Räumen der Robert-Jungk-Bibliothek stattfinden wird. Eine Pro-Contra-Debatte zu einem „Universal Basic Income“ ist auf republica.com nachzuhören.

Text und Moderation: Hans Holzinger,  Fotos: Birgit Bahtic-Kunrath (beide JBZ), Audioaufnahmen: Michaela Rohrauer, ifz, Bearbeitung: Reinhard Geiger, JBZ