Die Klimakrise ist das dringendste, aber nicht größte ökologische Problem, so Gunter Sperka, Klimakoordinator des Landes Salzburg, bei der Projekte des Wandels-Veranstaltung am 20. Oktober 2021 in der Robert-Jungk-Bibliothek. In dieser im Rahmen unserer Partnerschaft mit der „Energie+Klimastrategie 2050“ des Landes Salzburg ging es um „Regionalen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit“. Die weiteren Referierenden waren Johann Kandler von Klimabündnis Österreich sowie Maike Bukowski und Stefan Kienberger von der Universität Salzburg. Die Vorträge des von Carmen Bayer geleiteten Abends sind auf JBZ TV nachzusehen.

Die Kosten der Klimakrise werden steigen. Sie machen laut Schätzungen allein In Österreich derzeit 2 Milliarden Euro aus und sollen bis 2030 auf 3 bis 6 Milliarden Euro anwachsen. Eine der zentralen Aussagen von Gunter Sperka: „Die wissenschaftlichen und technischen Fragen sind geklärt – die Antwort auf die Klimakrise muss politisch und gesellschaftlich erfolgen“. In Bezug auf Klimagerechtigkeit gehe es um die Frage, welchen Berechnungsmodus man heranzieht. Nimmt man die aktuellen Emissionen, dann wäre das Salzburg zur Verfügung stehende Restbudget an Emissionen bei Fortschreibung der aktuellen Emissionen im Jahr 2030 aufgebraucht. Nimmt man das Bezugsjahr 1992, das Jahr der UN-Konferenz in Rio, dann wäre Salzburgs Treibhausbudget bereits zur Gänze verbraucht, so Sperka. Dies zeigt, wie radikal die Veränderungen in Richtung Dekarbonisierung, also Zero-Emission, gehen müssen. Klimagerechtigkeit könne es nur unter Berücksichtigung der historischen Emissionen geben: „Wir müssten unseren materiellen Wohlstand massivst einschränken.“

Johann Kandler, Experte des Klimabündnis Österreich für die Partnerschaft mit den Indigenas von Rio Negro, informierte in seinem Vortrag über das grundlegend andere Verständnis der Indigenas von Wirtschaften, das nur in Kreisläufen nachhaltig denkbar sei. Die Ureinwohner des Regenwalds hätten über Jahrhunderte im Einklang mit den Ökosystemen gelebt. Der Klimawandel mit sich ändernden Niederschlags- und Hitzeperioden mache den Indigenas aber ebenso zu schaffen wie die Rodung des Regenwalds für Monokulturen sowie die Ausbeutung von Rohstoffen. An Zahlen machte Kandler deutlich, wie ungerecht Verursacher und Folgen der Klimakrise verteilt sind: 25 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen derzeit 75 Prozent der Energie und sind damit für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich. Vielen Menschen in den ärmeren Ländern fehlt jedoch weiterhin ein rudimentärer Zugang zu Energie. Notwendig wäre daher, so Kandler, ein „Recht auf eine Mindestenergiemenge für alle“. Schieflagen gibt es auch im Bereich Ernährung: Rund ein Drittel der Weltbevölkerung versorgt sich täglich selbst mit Feld- und Naturprodukten. Kleinbauern produzieren nach wie vor weltweit etwa 70 Prozent der Nahrung – dies wesentlich umweltverträglicher als die Agrarindustrien. Durch Landgrabbing, Monokulturen, Rohstoffausbeute und Regenwaldabholzung würden jedoch Kleinbauern immer mehr in Bedrängnis gebracht.

Maike Bukowski, Ökonomin am Fachbereich Geografie der Universität Salzburg, bestätigte den Raubbau an den Ökosystemen in den Ländern des Südens am Beispiel der Insel Sansibar, wo sie Forschungen durchgeführt hat. Nicht nur, dass die Küstengewässer von internationalen Fischereiflotten leergefischt werden, auch der Klimawandel setze der lokalen Bevölkerung zu. Die größten Auswirkungen der Klimakrise seien in den Tropen und Suptropen zu verzeichnen, Regionen, die als aride und semiaride Zonen von Natur aus weniger fruchtbar sind. Armut und Klimawandel müssten daher zusammengedacht werden, was in den Sustainable Development Goals zwar formuliert, aber durch die Wachstumsfixierung („Leave no one behind“) konterkariert werde. Notwendig seien Sofortmaßnahmen für Klimawandelanpassung („Den Betroffenen geht es jetzt an den Kragen“) sowie neue Parameter für Entwicklung und Wohlstand. Bukowski plädierte für eine Orientierung an den Grundbedürfnissen („Needs“, „Sustainable Wellbeing“), die für alle sichergestellt werden müssten, der Konsum darüber hinaus sei strikt zu begrenzen, wenn wir eine Chance haben wollen, die Klimakrise einzudämmen. Im Sinne „prozessualer Gerechtigkeit“ gehe es zudem nicht nur um eine faire Verteilung („distributive Gerechtigkeit“), sondern auch um Beteiligung und Empowerment („Capabilities“).

Stefan Kienberger vom Fachbereich für Geoinformatik Z_GIS der Universität Salzburg und der ZAMG verwies auf den Global Climate Risk-Index, der die vergangenen Auswirkungen von Extremereignissen auf unterschiedlicher Staaten ausweist und durchaus auch Gefahren für die Wohlstandsländer benennt. Mit Frühwarnsystemen sollen Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen in ihren Auswirkungen abgemildert werden, doch vollständige Absicherungen gäbe es nie, so der Experte, der ein Forschungsprojekt in Mosambik umgesetzt hat und derzeit eine Gefährdungsanalyse durch den Klimawandel für das Bundesland Salzburg erstellt. Ein Ziel sei es, Risikofaktoren mit der Bevölkerungsdichte zu kombinieren, um daraus räumliche Hot Spots der Gefährdungen zu destillieren. Zudem berichtete Kienberger über das Netzwerk von „Scientists for Future“, das die Klimabewegung aus wissenschaftlicher Perspektive unterstützt. Notwendig sei die Kooperation von Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kunst, um die Klimawende voranzubringen. In diesem Sinne wurde von den „Scientists for Future“ vor kurzem die Kunstaktion „Gutes Morgen“ mit Wünschen aus der Bevölkerung an die Landespolitik umgesetzt. „Zu wissen und nicht zu handeln, ist fahrlässig“, so brachte Kienberger die Notwendigkeit von breitem Engagement auf den Punkt.

Ein informativer Abend, dem eine angeregte Diskussion folgte. In dieser angesprochen wurde u. a. die zukünftige Bedeutung von Klimagesetzen bzw. Klimaklagen und die Rolle der Medien im Kontext der notwendigen Transformation sowie das Dilemma, dass klimabewusste Handeln in der Bevölkerung trotz Beteuerung in Umfragen keineswegs ausreichend vorhanden sei und es nach wie vor schwierig sei, politische Mehrheiten für die anzugehenden Veränderungen zu gewinnen.

Bericht und Foto: Hans Holzinger. Video: Carmen Bayer, Anne Volckmann