„Frausein in Afrika“ lautete das Thema der 59. Ausgabe unserer Reihe „Projekte des Wandels“ am 4. November 2021. Ein großes Motto, denn Afrika ist groß und das Thema vielschichtig. Aber wir hatten mit Gudrun Hagen eine ausgewiesene Expertin und Kennerin Afrikas zu Gast. Ihr Vortrag sowie die Einführung von Amelie Höring sind auf JBZ TV anzusehen. Hier ein kurzer Bericht.
Gudrun Hagen lehrte Didaktik für Geschichte und Deutsch an der Pädagogischen Hochschule Salzburg sowie an der Universität Innsbruck und Religionssoziologie im Hochschullehrgang “Politische Bildung”. Sie ist seit gut 25 Jahren als Obfrau und Geschäftsführerin von „Ekando Kumer“ in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Der Verein EKANDO KUMER fördert im Senegal seit 1995 und im Sudan seit 2004 Schul- und Berufsausbildung sowie Universitätsstudien. Im Sudan setzt er sich zudem für die Abschaffung der Genitalverstümmelung ein. „Ekando Kumer“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „Hoffnung auf eine bessere Zukunft“.
Aufgrund ihrer zahlreichen Afrika-Aufenthalte weist Hagen eine umfangreiche Expertise über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen in Sub-Sahara-Afrika auf. In ihrem Vortrag ging sie auf die rechtliche Situation der Frauen, die große Bedeutung von Bildung als Voraussetzung für eine eigenständige wirtschaftliche Existenz sowie auf die Notwendigkeit der Einbindung aller Betroffenen beim Anstoßen von Veränderungen, etwa der Überwindung der Praxis der Genitalverstümmelung, ein.
Anhand von Bildern aus ihren Projekten zeigte Hagen, wie es ihr mit ihrem Verein gelungen ist, durch Gespräche und Angebote Ortsgemeinschaften und Familien zu überzeugen, auch Mädchen eine Schulausbildung absolvieren zu lassen. Erste erfolgreiche Bildungsabschlüsse von Frauen hätten als Vorbild gewirkt – nun folgten immer mehr diesem Beispiel. In den Dörfern, in denen Ekando Kumer aktiv ist, gehen nun alle Mädchen zur Schule. Die Praxis der Genitalverstümmelung konnte in den Projektdörfern abgeschafft werden. Notwendig sei, so Hagen, alle Personen mit Einfluss einzubinden, die Dorfältesten, die religiösen Führer, Hebammen und Gynäkolog:innen und die erwachsenen Männer und Frauen.
Gudrun Hagen: Kulturelle Normen und Praktiken liegen ökonomische Ursachen zu Grunde
Hagen machte deutlich, dass vielen kulturellen Normen und Praktiken ökonomische Ursachen zugrunde liegen. Die Polygamie habe damit zu tun, dass es nicht genug Männer gibt, die eine Familie ernähren können. Psychosoziale Probleme entstehen erst im gebildeten städtischen Milieu. Ohne eigene Ausbildung und Beruf hingegen sei die Ehe die alleinige existenzielle Grundlage für Frauen. Die Väter trachten daher, ihre Töchter an jene Männer zu verheiraten, die ihnen eine Existenz bieten können. Was wiederum mit dem Erbrecht zusammenhängt. Landwirtschaftliche Flächen werden immer an nur einen Sohn weitergegeben, weil es keinen Sinn machen würde, diese auf mehr Erben aufzuteilen, wodurch das Land immer mehr zerstückelt würde. Jobs jenseits der Landwirtschaft seien aber rar. Daher gehen viele in die Städte, wo sie sich im informellen Sektor versuchen über Wasser zu halten. Familien können jedoch nur jene gründen, die über entsprechenden Besitz bzw. Einkommen verfügen.
Auch der von den Wohlstandsländern verursachte Klimawandel sowie die Leerfischung der Meere durch große internationale Fischereiflotten mache den Menschen vor Ort zu schaffen, so Hagen. Immer mehr verlieren ihre Existenzgrundlage durch die klimabedingt reduzierten landwirtschaftlichen Erträge. Es sei daher notwendig, neue Wirtschaftszweige aufzubauen. Einer davon ist – zumindest im Senegal – der Tourismus. „Wenn die Menschen erkennen, dass Bildung die Chance bietet, sich jenseits der Landwirtschaft Existenzen aufzubauen, sind sie bereit, ihre Kinder in die Schule zu schicken“, so Hagen zusammenfassend.
Amelie Höring: Genderaspekt bei Förderungen von Projekten durch das Land wichtig
Das Land Salzburg unterstützt u.a. den Aufbau eines Mädchen-Wohnheims von Ekando Kumer im Senegal, damit junge Frauen fern des Heimatdorfes weiterbildende Schulen besuchen können. Amelie Höring, Vorsitzende des Entwicklungspolitischen Beirats der Salzburger Landesregierung, betonte in der Einführung zum Vortrag, dass der Genderaspekt und die Förderung von Frauenprojekten in der Salzburger Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen. Dass dies wichtig ist, machte Höring anhand von Fakten zur Lage von Frauen deutlich: „Frauen machen weltweit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus, sie leisten zwei Drittel der Arbeit, wobei ein großer Teil davon unbezahlt geschieht. Frauen verdienen daher nur 10 Prozent des Welteinkommens und besitzen nur ein Prozent des Weltvermögens“ (Zahlen nach Gertrude Eigelsreiter in einem Vortrag beim Entwicklungspolitischen Beirat am 23.9.2021).
Ein beeindruckender Abend mit berechtigtem starken Applaus an die Referentin für ihr Engagement.
Moderation und Bericht: Hans Holzinger
Video und Fotos: Carmen Bayer