ICAN steht für „International Campaign for the Abolition of Nuclear Weapons“ und ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich nicht weniger als die generelle Ächtung von Atomwaffen zum Ziel gesetzt hat. ICAN hat wesentlich zum Zustandekommen des 2021 verabschiedeten UN-Atomwaffenverbotsvertrags beigetragen. Neben Österreich, Irland und Malta haben mittlerweile 119 weitere Staaten den Vertrag ratifiziert. Als Paradigmenwechsel in der internationalen Politik bezeichnete Nadja Schmidt, Sprecherin von ICAN Austria, diesen Vertrag in einer gemeinsamen Veranstaltung von Friedensbüro Salzburg, Plattform gegen Atomgefahren und Robert-Jungk-Bibliothek am 1. Juni 2022. Während der Nicht-Verbreitungsvertrag die Realität von Nuklearmächten akzeptierte, gehe der neue Vertrag einen Schritt weiter, indem er nukleare Massenvernichtungswaffen grundsätzlich ächtet. Zudem räume der völkerrechtsverbindliche Vertrag den Opfern von Nuklearkriegen Rechtsstatus ein. Als äußerst wirksam nannte Schmidt auch die von ICAN angestoßene Divestment-Bewegung. Finanzinstitute werden aufgerufen, sich aus Atomwaffen-Geschäften zurückzuziehen; jene, die dies nicht tun, werden öffentlich unter dem Motto „Kein Cent für Atomwaffen“ an den Prager gestellt.

Wolfgang Kromp vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der BOKU Wien verwies in seinem Statement auf die Gefahren, die von Atomkraftwerken in kriegerischen Auseinandersetzungen ausgehen. Der Krieg in der Ukraine sei höchst gefährlich, weil es in diesem Land zahlreiche AKWs gebe. Nicht nur das Risiko eines Beschusses solcher Anlagen, sondern auch die Beeinträchtigung der hochkomplexen Infrastrukturen für den Betrieb, wie etwa die Wasserkühlung, würden extrem gefährlich sein. Auch abgeschaltete AKWs würden weiterhin große Risiken darstellen, weil diese auf funktionierende Informationssysteme sowie Stromzufuhr angewiesen seien. Der Krieg in der Ukraine müsse daher allein deswegen sofort beendet werden, so Risikoforscher Kromp.

Auch der Friedensforscher Reiner Steinweg nahm in der von Christa Wieland und Franz Daschil moderierten Veranstaltung Bezug auf den Ukrainekrieg. Dieser Krieg sei ein Irrsinn und bedeute die Zerstörung ganzer Städte und deren Infrastrukturen über viele Jahre hin und werde dann wohl in der Erschöpfung der Kräfte beider Seiten enden. Die Gefahr einer nuklearen Eskalation sehe er aber nicht, beide Seiten seien sich der Folgen eines Nuklearkrieges bewusst. Diese Gefahr bestehe vielmehr im Nahen Osten in einer Konfrontation zwischen dem Iran und Israel, so Steinweg. Hier sei Vermittlungsarbeit dringend nötig. Aufhorchen ließ Steinweg auch mit seinem Hinweis, dass laut einer aktuellen US-Studie gewaltfreier Widerstand bedeutend häufiger zu guten Lösungen führt als gewalttätiger. Dies hätte er auch der ukrainischen Führung empfohlen, hätte ihn diese gefragt, so der renommierte Friedensforscher.

Das Gespräch mit den Expert:innen kann auf JBZ TV nachgesehen werden. Für die Organisation der Veranstaltung danken wir Magdalena Mühlböck. Die Stadt Salzburg, selbst Mitglied der Initiative Majors for Peace, war durch die Gemeinderät:innen Ingeborg Haller und Vincenz Pultar vertreten. Bei einem anschließenden kleinen Umtrunk bestand die Möglichkeit zum weiteren Austausch.

Von 21. bis 23 .Juni 2022 findet die 1. Staatenkonferenz zum UN-Verbot von Atomwaffen in Wien statt. ICAN Österreich veranstaltet hier für ein spannendes Rahmenprogramm. Es werden an die 150 von Atomwaffenschäden Betroffene über ihre Situation berichten, Parlamentarier:innen mehrerer Länder werden zu einem Austausch eingeladen. Am 18. – 19. Juni 2022 findet das Nuclear Ban-Forum in der Aula der Wissenschaften Wien statt.

Moderation: Christa Wieland, Franz Daschil
Organisation/Foto: Magdalena Mühlböck | Bericht: Hans Holzinger | Video: Carmen Bayer