An die hundert Interessierte waren der Einladung zu unserem 2. Salzburger Zukunftsforum für nachhaltiges Wirtschaften gefolgt, das am 8. April 2015 zum Thema „Wachstum – aber welches? Nachhaltige Wirtschaftspolitik und neue Wege aus der Arbeitslosigkeit“ stattfand. Erfreulich war auch das Medienecho. Der ORF berichtete mit einem Liveeinstieg in der Fernsehsendung „Salzburg heute“ von der Veranstaltung, der eine Woche lang online zu sehen ist. Am Tag darauf gab es einen Beitrag zum Thema auf Radio Salzburg in der Sendung “Mittagszeit”. Im Vorfeld der Veranstaltung hat die JBZ ein „Argumentarium für eine soziale und ökologische Steuerreform“ verfasst und mit einem Offene Brief an die Österreichische Bundesregierung und die Parlamentsclubs versandt.
Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister verwies in seinem ausgezeichneten Vortrag [hier geht es zu seinen Folien] auf den – wie er meinte – fatalen Verlust des Primats der Politik gegenüber den Finanzmärkten, die seit den 1980er-Jahren zusehends die öffentliche Agenda bestimmt hätten. Nicht (mehr) die Polarität von Arbeit und Kapital, sondern jene zwischen Realwirtschaft und Finanzkapital sei heute das Problem, das in Finanzkrisen wie jene von 2008 führe. Für den Ökonomen ist die Krise, die in Europa zu einer Rekord-Arbeitslosigkeit geführt habe, längst nicht ausgestanden: „Wir sind mitten drin“, so Schulmeister in seinem Buch 2011 erschienenen Buch „Mitten in der Krise“ ausgeführt hat. Ein Befund, der noch immer aktuell ist, wie der Ökonom an den überhitzten Aktienmärkten darlegte.
New Deal für Europa
Die öffentliche Verschuldung sei ernst zu nehmen, öffentliches Sparen führe jedoch genau dazu, dass die Verschuldung weiter steigt, weil eben Einnahmen wegbrechen und die Kosten der sozialen Krise dem Staat aufgehalst werden: „Öffentliche Schulden steigen mit der Arbeitslosigkeit“. Schulmeister forderte – analog dem New Deal von Roosevelt in den 1930-Jahren – einen New Deal für Europa. Dessen Kernbestandteile: Einhegung der Finanzmärkte und Unterbindung von Spekulation, Abstimmung der Weltwährungen, öffentliche Investitionen insbesondere im Ökologiebereich sowie Festlegung eines kontinuierlich steigenden, aber berechenbaren Preispfades für Erdöl, um der Wirtschaft und den Bürgerinnen Anreize für Klimaschutz zu geben. Schließlich brauche es auch neue Arbeitszeitmodelle, um das sinkende Erwerbsarbeitsvolumen besser zu verteilen [vgl. dazu auch den Kommentar von Schulmeister „Es gibt eine Alternative zur Arbeitslosigkeit“ im Standard vom 3. November 2015].
Österreichische Steuerreform und Salzburger Konjunkturpaket
In der folgenden Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Österreichischen Parlaments sowie des Salzburger Landtags ging es um die geplante Steuerreform für Österreich und das im Jänner dieses Jahres beschlossene „Salzburger Konjunkturpaket“. Die Abgeordneten Cornelia Ecker (SPÖ) und Asdan El Habbassi (ÖVP) begrüßten als Vertreterinnen der Regierungsparteien naturgemäß die geplante Entlastung der niedrigen und mittleren Einkommen durch die vereinbarte Steuerreform und verbanden damit die Hoffnung, dass das höhere verfügbare Einkommen der BürgerInnen den Konsum und damit die Konjunktur ankurbeln werde. Birgit Schatz (Grüne) bemängelte jedoch die Verteilungswirkung der geplanten „Entlastung“, da ArbeitnehmerInnen mit höheren Einkommen von dieser stärker profitieren würden als BezieherInnen niedriger Einkommen. Ein Umstand, den auch Schulmeister problematisierte. Seine Befürchtung: Solange keine politische Mehrheit für eine substanzielle Höherbesteuerung der Vermögenden gefunden werde, bestehe die Gefahr, dass die Entlastung durch niedrigere Einkommenssteuern mit einer weiteren Reduzierung des Sozialstaats „bezahlt“ würde.
Arbeitsmarktsituation in Salzburg
Im zweiten Teil der Podiumsdiskussion ging es um die Arbeitsmarktsituation in Salzburg. Der Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice Salzburg, Siegfried Steinlechner, verwies insbesondere auf die Risikogruppe der Geringqualifizierten, die bedeutend mehr Um- und Nachschulungen bräuchten. Seine Befürchtung: die Sparpolitik könne zu weiteren Kürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik führen, was wiederum die Arbeitslosigkeit erhöhen würde.
Der Landtagsabgeordnete Hans Scharfetter (ÖVP) verwies darauf, dass nicht nur die Zahl der Arbeitslosen, sondern auch jene der Erwerbstätigen gestiegen sei. Er setzte auf das im Jänner dieses Jahres beschlossene „Impulspaket 2015“, über welches in den Jahren 2015 und 2016 über 100 Millionen Euro in Infrastrukturprojekte sowie den Wohnbau mit der Hoffnung auf Folgeinvestitionen der Privatwirtschaft in dreifacher Höhe gesteckt werden. Klubobmann Walter Steidl (SPÖ) begrüßte die Maßnahmen grundsätzlich, verwies jedoch darauf, dass diese ohnedies bereits geplant gewesen seien. Auch vermisste er ein Paket für die thermische Sanierung von Gebäuden. Cyriak Schwaighofer (Grüne) plädierte insbesondere für die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe, welche durch das „Fairnessabkommen“ der Landesregierung gefördert werde: Regionale Anbieter kann damit bei öffentlichen Ausschreibungen gegenüber überregionalen Anbietern der Vorzug eingeräumt werden. Zudem plädierte Schwaighofer für Anstrengungen im Bereich Bildung.
Bessere Vermögensverteilung, Ökologie und neue Arbeitszeitmodelle
In einer im Rahmen der Veranstaltung durchgeführten Erhebung (per Handzeichen konnte zu vorgegebenen Fragen abgestimmt werden, s. FolienZukunftsforum2 ) sprach sich die große Mehrheit des Publikums für eine deutlich stärkere Heranziehung der Vermögenden sowie der Einnahmen aus Kapitalanlagen. Die mit der Steuerreform geplante Erhöhung der Kapitalertragssteuer von 25 auf 27,5 % sowie des Spitzensteuersatzes für Jahreseinkommen ab einer Million Euro von 50 auf 55 % wurde mehrheitlich als zu gering eingestuft. Die VertreterInnen von SPÖ und Grünen sahen sich hier in ihren Forderungen hier bestätigt: „Die Steuerreform ist ein Kompromiss, wir wollten durchaus mehr“, so Cornelia Ecker (SPÖ). Schulmeister erntete entsprechenden Applaus, als er meinte, dass es für ihn völlig unerklärlich sei, wenn aus christlich-sozialer Sicht die höhere Besteuerung von Vermögen abgelehnt werde. Weitgehende Einigkeit gab es jedoch hin hinsichtlich stärkerer Anstrengungen im Bereich Ökologie sowie der Forcierung neuer, Arbeit umverteilender Arbeitszeitmodelle. Auch dass es in Zukunft mehr Arbeitsplätze im Sozialbereich, etwa der Kinderbetreuung, brauche, stieß auf breite Zustimmung des Podiums.
Das Salzburger Zukunftsforum für nachhaltiges Wirtschaften hat das Ziel, Wissenschaft mit Wirtschaft und Politik in Dialog zu bringen. Dies ist auch mit dem nunmehr zweiten Zukunftsforum bestens gelungen. Unser Dank gilt dem engagierten Sich-Einbringen aller geladenen Gäste sowie der Publikumsbeiträge.
Bericht: Hans Holzinger, Fotos: Alfred Auer