
„Stammtische können durchaus eine positive Funktion haben. Sie können das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern, der Information dienen und auch Reibung ermöglichen“, so Hans Peter Graß und Desiree Summerer einleitend zu ihrem Argumentationstraining gegen Stammtischparolen, das am Freitag, den 10. April 2015 im Rahmen der JBZ-MethodenAkademie stattfand. Problematisch würden Stammtische dann, wenn in ihnen Stereotype, Klischees und Vorurteile transportiert und auf Kosten anderer Aggressionen geschürt werden. Dabei würden Stammtischparolen längst nicht mehr auf Stammtische beschränkt sein, sondern ebenso im öffentlichen Raum, öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch Internetforen. [Mehr siehe Handout zum Workshop].

Die 10 Teilnehmenden des Workshops hatten die Möglichkeit, spielerisch typische Stammtisch-Situationen zu erproben und zu reflektieren. Zunächst wurden eigene Stammtisch-Erfahrungen sowie typische Vorurteile oder Stereotype gesammelt. Die Themen reichten von „Ausländern, die auf unsere Kosten leben“ über „Politiker, die alle korrupt sind“ bis hin zu den „Bettlern, die uns belagern“.

In der Folge wurden drei Stammtische „abgehalten. Drei Teilnehmende übernahmen die Rolle der Transporteure der klischeehaften Parolen, zwei weitere versuchten mit ihren Argumenten dagegenzuhalten. Die übrigen Teilnehmenden hatten die Aufgabe der Beobachtung. Der „Wirt“ alias Workshop-Leiter brachte das jeweilige Thema in die Runde. Einmal ging es darum, ob einem Bettler, der gegenüber dem Gasthaus saß, etwa gegeben werden soll, das zweite Mal darum, ob der Attentäter von Boston das Recht auf einen Rechtsanwalt hat. In der dritten Runde warf der „Wirt“ die Frage ein, ob es schon richtig sei, wenn ein Mann Kindergartenpädagoge werden will.

In den Spielrunden ging es ziemlich rund. Es war erstaunlich, wie lustvoll wir uns auch in die Rolle der Stammtisch-Täter versetzten. Jede Sequenz wurde aus der Sicht aller Rollen reflektiert und durch Anmerkungen der Workshop-Leiterinnen ergänzt. Dabei ging es nicht nur um die verbalen Äußerungen, die Schlagfertigkeit der Pro- und Contra-Argumente, sondern auch um Dinge wie Körpersprache, Sich-Positionieren in der Runde oder um Kommunikationsstile.

In der abschließenden Einheit fassten die Workshop-Leiterinnen wesentliche Aspekte für das Verhalten in „Stammtisch-Situationen“ zusammen. Dazu zählen etwa, seinen Platz am Stammtisch behaupten, Argumente sachlich vortragen ohne zu moralisieren, persönliche Erfahrungen einbringen oder auch mit Humor zu „arbeiten“. Ein besonderer Aspekt galt dabei dem Phänomen der sogenannten „kognitiven Dissonanz“, womit das Dilemma ausgedrückt wird, in dem sich Menschen befinden, bei denen Wissen, Handeln und Werte nicht mehr zusammenpassen. Etwa nach dem Prinzip: Eigentlich soll ich von meiner Überzeugung Ärmeren helfen, aber meine Partei/meine Gesinnungsgruppe gibt etwas anderes vor. [Mehr dazu siehe Folien].
Bericht & Fotos: Hans Holzinger