Was bedeutet für mich Autonomie? Wo(durch) sehe ich meine Autonomie eingeschränkt? Welche Abhängigkeiten möchte ich reduzieren? Wo wünsche ich mir mehr Verbundenheit, Vernetzung & Kooperation?
Wie können wir Autonomieräume vergrößern – persönlich & gesellschaftlich? Diese Frage waren Thema einer Zukunftswerkstatt mit Hans Holzinger im Rahmen der Tage der Utopie des Kulturzentrum MARK am 7. November 2019. Den Einstieg bot ein Impulsreferat zum Thema „Autonomie – Ambivalenzen eines Begriffs.“
Einführung ins Thema
Autonomie bedeutet Unabhängigkeit. In der Entwicklungspsychologie wird vom Streben des Kindes nach Selbstständigkeit, nach Ausweitung der Handlungs- und Bewegungsräume gesprochen. Selbstwirksamkeit gilt als wichtige Ressource der Selbstentwicklung. Autonomie tritt jedoch nicht in Gegensatz zu Verbundenheit, sondern kann erst aus dieser gedeihen. Jedes Kind strebt nach Freiheit, Anerkennung und Eingebunden-Sein bzw. Geborgenheit. Dies gilt nicht weniger in der nächsten Phase der Loslösung von den engsten Bezugspersonen, in der Regel den Eltern oder einem Elternteil, im Schritt zum Erwachsenen-Dasein. Junge Menschen vertragen in dieser Phase schwer Ratschläge Älterer, weil sie eben selbst ihre Erfahrungen machen wollen.
Was bedeutet nun Autonomie im Erwachsenenalter? Die Freiheit, seine eigenen Lebensträume zu verwirklichen? Wirtschaftlich unabhängig zu sein? Seine eigenen Entscheidungen treffen zu können? Wohl alles davon. Die Gesellschaft und das Wirtschaftssystem setzen der persönlichen Entfaltung freilich Grenzen. In der Schule geht es beileibe nicht nur darum, was die jungen Menschen interessiert. Nicht jeder und jede bekommt den Job, den er/sie möchte. Und nicht immer gelingen Freundschaften und Beziehungen. Und schon gar nicht sind sie ohne Konflikte.
Der moderne Konsumkapitalismus lässt, sofern man/frau über genügend Kaufkraft verfügt, zahlreiche materielle Wünsche erfüllen. Wir sind frei, dieses oder jenes zu kaufen, auszuwählen aus einer Vielzahl an Marken. Doch zugleich engt uns dieses System ein. Wer viel konsumieren möchte, muss auch viel dafür arbeiten, außer man kommt aus reichem Haus und erbt! Bildungsabschlüsse begrenzen die beruflichen Möglichkeiten. Und der Zugang zu Bildung ist noch immer abhängig vom (Bildungs)-Status der Eltern. Politisch ist der Einfluss als Bürger und Bürgerin gering. Alle vier Jahre wählen gehen. Und sonst bestimmen Lobbys was politisch geschieht. Auch bei uns nimmt der Trend zu, dass Politik gekauft wird mittels Spenden – wie aktuelle Beispiele zeigen.
Und lässt sich politisch überhaupt noch etwas verändern? Das Handeln in Bezug auf die großen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Spaltung der Gesellschaft, das Diktat der Finanzkonzerne scheint proportional zum wachsenden Wissen über all das abzunehmen. Was bedeutet Autonomie in diesem Zusammenhang?
Der Soziologe Harald Welzer meint mit Autonomie „Selber denken“ und das Schaffen von neuen Ansätzen und Projekten einer anderen sozialen und ökologischen Moderne. Neue Formen des Zusammenwohnens, der Ernährungssouveränität, des gemeinsamen Herstellens und Reparierens von Dingen, des Tauschens und Schenkens. Autonomie in diesem Sinne würden bedeuten, sich gemeinsam mit anderen Freiräume für Neues zu erkämpfen, sich in Projekten zu engagieren.
Wie müsste sich eine Gesellschaft ändern, um diese Freiräume zu ermöglichen, Experimente nicht zu unterbinden, sondern zu fördern, weil wir daraus lernen können. Würde ein Grundeinkommen dazu beitragen, diese Freiräume zu schaffen? Oder würde es die Gesellschaft spalten? Wäre es sinnvoll, die Arbeitszeiten radikal zu verkürzen, um Zeit für Anderes zu gewinnen? Was würde Ernährungssouveränität oder Energieautonomie bedeuten? Und (wie) wären resiliente, also krisenfeste Wirtschaftsstrukturen denkbar?