Schritte zählen, Schlaf überwachen, Trainingserfolge bestimmen – die Selbstvermessung im digitalen Zeitalter war das Forschungsthema von Dhenya Schwarz, wofür sie mit dem Nachwuchspreis für Zukunftsforschung ausgezeichnet wurde. Die ständige Überwachung des Körpers birgt auch Gefahren, weiß die Expertin. Im November /Dezember 2021 war die Soziologin in Salzburg und arbeitete als Scientist in Residence zwei Monate in der Robert-Jungk-Bibliothek an ihrer Dissertation. Darin will sie die Spaltung der Gesellschaft behandeln und plädiert dafür, dass wir aufhören sollten, alles ständig zu bewerten und zu kategorisieren. Eva Kraxberger von der Wissensstadt Salzburg hat ein schönes Porträt der jungen Forscherin einschließlich eines Gesprächs über ihre Arbeit gestaltet, Stefan Wally mit ihr ein Interview für JBZ TV geführt. Foto: Eva Kraxberger

Mehr zu Dhenya Schwarz und ihrem Forschungsthema:

Dhenya Schwarz studierte Politikwissenschaften und Soziologie mit Fokus auf das Wandlungspotenzial digitaler Technologien für Gesellschaft und Individuum. Seit 2018 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Technik- und Organisationssoziologie der RWTH Aachen University, derzeit betreut sie dort das inter- und transdisziplinäre Projekt HOWAMAN zum Thema des Hochwasserrisikomanagements in (semi)ariden Gebieten des Irans. Engagiert ist Schwarz unter anderem als Boardmitglied des Netzwerk für Zukunftsforschung, in der Redaktion der Zeitschrift für Zukunftsforschung sowie als Rezensentin für das pro zukunft-Buchmagazin der JBZ. Im Rahmen des Stipendiums forscht Schwarz zu der Konstellation von Wertung bzw. Bewertung, Subjektivierung und Interaktion. 

Etwas genauer: Wertungen und Bewertungen stellen seit jeher zentrale soziale Ordnungsmechanismen dar, die formal als geregelte Abläufe von zum Beispiel Online-Bewertungen oder Bewertungen von wissenschaftlichen Arbeiten in Peer-Review-Verfahren wahrgenommen werden. Aber auch subtiler finden diese Prozesse statt und beeinflussen dabei, wie wir uns selbst wahrnehmen, denken, dass andere uns wahrnehmen und wie wir uns im sozialen Kontext einordnen. Eingebettet in ein Feld von Normen, Rollenerwartungen und strukturellen Systemvoraussetzungen entsteht das Subjekt, unsere Einordnung in den aktuellen sozialen Kontext. Bewertungen und Wertungen nehmen also Einfluss auf die Subjektivierung des Menschen und damit auch auf die Interaktion. Durch neue (digitale) (Be-)Wertungsarenen haben sich grundsätzliche Veränderungen ergeben, wer, wo, wen bewerten kann und darf: Neue Gruppen können vor neuen Publika und Foren bewerten oder bewertet werden. Erkennbar wird diese Dynamik beispielsweise an Phänomenen wie Cancel Culture oder Shitstorms in sozialen Medien.