92 Prozent der Befragten einer Erhebung von meinungsraum.at gaben an, dass für sie das Arbeitsklima am wichtigsten ist für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Andererseits gehen knapp die Hälfte der mit ihrer Arbeit Unzufriedenen in die innere Emigration. 89 Prozent der Unzufriedenen geben an, dass sie ihr Unternehmen nicht weiterempfehlen würden. Mit diesen Befunden argumentierte Guido Güntert in seinem Workshop im Rahmen unserer gemeinsam mit dem Salzburger Bildungswerk durchgeführten MethodenAkademie für neue Formen der Partizipation und Entscheidungsfindung in Unternehmen und Organisationen.

Ein Weg dafür ist die Soziokratie, die ursprünglich von Cornelis „Kees“ Boeke (1884 – 1966), einem niederländischen Reformpädagogen in einer selbstverwalteten Schule entwickelt wurde. Das Modell der `Soziokratischen KreisorganisationsMethode´ (SKM), mit dem heute gearbeitet wird, geht, so berichtete Güntert, auf den Niederländer Gerard Endenburg (geb. 1933) zurück, der die Grundzüge während seiner Schulzeit bei Kees Boeke kennenlernte und dann im elterlichen Unternehmen `Endenburg Elektrotechniek´ einführte (190er Jahre), umsetzte und weiterentwickelte.

güntert

Guido Güntert, Geschäftsführer der Lebenshilfe Salzburg, ist aktuell dabei, mit den Entscheidungsgremien der Lebenshilfe die flächendeckende Einführung der Soziokratie im Unternehmen zu prüfen. Das Führungsteam handelt schon nach den soziokratischen Prinzipien. Im Workshop in der JBZ am 31. März 2017 gab er eine Einführung in die Grundprinzipien und die Arbeitsschritte der Methode. Die Basis bildet ein dezentralisiertes Entscheidungs- und Delegationsprinzip. Aufgabenbereiche sind in Kreise aufgeteilt und entsprechen in Unternehmen etwa Abteilungen oder Arbeitsgruppen.

Die Kreisleiter*innen sowie jeweils ein*e Delegierte*r treffen sich im jeweils übergeordneten Kreis („Doppelte Bindung“), in dem aus den Unterkreisen berichtet wird und die sogenannten Grundsatzentscheidungen fallen. Die Funktionen in den Kreisen – neben der Kreisleitung und dem/der Delegierten gibt es eine*n Logbuchführer*in und eine*n Moderator*in – werden in offener Wahl bestimmt und so wie die Entscheidungen der Kreise zeitlich befristet.

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Wichtig ist der Prozess der Meinungsbildung in den Kreisen. Ein eingebrachter Vorschlag wird zunächst durch Rückfragen präzisiert („Bildformung“) und dann in zwei oder mehreren Meinungsrunden, in der alle ihre Einschätzung wiedergeben, einer Entscheidungsfindung zugeführt. Durch das Kreisprinzip können sich Meinungen verändern; zugleich werden das Wissen und die Erfahrungen aller genutzt („Weisheit der Vielen“). Ein Vorschlag wird angenommen, wenn es in der Runde keinen schwerwiegenden Einwand im Sinne der Erreichung des gemeinsamen Ziels mehr gibt („Konsentprinzip“). Wie das geht, wurde im Workshop anhand eines fiktiven Fallbeispiels durchgeführt.

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Zentrale Aussagen von Guido Güntert belegten die Qualität des Verfahrens: Es geht um „Einander-Zuhören und Schlauer-Werden“, um „Reden im Kreis statt sich Drehen im Kreis“, um die Nutzung der „Weisheit der Vielen“ und um ein offenes, veränderbares System, in dem Entscheidungen auch revidiert und verändert werden können nach dem Prinzip „Good enough for now – save enough to try“.

Mehr Informationen über das Beteiligungsmodell gibt es im Soziokratie Zentrum Österreich sowie in den Publikationen  Das kollegial geführte Unternehmen von Bernd Oestereich und Claudia Schröder (Verlag Vahlen) sowie Soziokratie. das Ende der Streitgesellschaft von Barbara Strauch und Annewiek Reijmer.