Die Hoffnung auf die Friedensdividende war verfrüht. Nach einem Rückgang der weltweiten Militärausgaben in den 1990er-Jahren im Zuge des Endes des Kalten Krieges steigen diese seit der Jahrtausendwende wieder kräftig an, so Thomas Roithner, Robert-Jungk-Stipendiat 2017 der Stadt Salzburg, in seinem Vortrag über die „(De)-Militarisierung der Sicherheitspolitik“. Der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ oder aktuell die Flüchtlingsbewegungen würden zu Bedrohungsbildern hochstilisiert, die weitere Aufrüstungsschritte legitimieren sollen. Während Frieden mehr sei als die Abwesenheit von Gewalt, werde Sicherheit immer mit Gefahren assoziiert, wobei es sich häufig um „gefühlte Bedrohungen“ handle, so Roithner, der von einer zunehmenden „Versicherheitlichung“ auch der Politik in der Europäischen Union sowie in Österreich sprach. 1,69 Billionen Dollar wurden laut SIPRI 2016 weltweit für Militär ausgegeben.
Der neugeschaffene „European Defence Fund“, in dem die EU-Mitgliedstaaten einzahlen, soll dazu beitragen, die europäische Rüstungspolitik zu koordinieren: „Geplant sind die Entwicklung eines europäischen Jagdbombers, eigene Drohnenmodelle sowie neue Jagdpanzer.“ Dabei spiele das Mitmischen am weltweiten Rüstungsexportmarkt eine wichtige Rolle. Die Staaten der EU sind nach den USA mit Russland die größten Waffenexporteure der Welt. Auch in Österreich würden immer mehr Kompetenzen an das Militär übertragen – von der Abwehr von Flüchtlingen bis hin zu deren Abschiebung.
Insbesondere kritisierte Roithner, dass Sicherheitspolitik fast ausschließlich militärisch definiert wird: „80 Prozent der Personalressourcen der EU-Auslandseinätze beziehen sich auf militärische Kräfte. In Österreich sind es sogar 90 Prozent.“ Militärpersonal könne sinnvolle Aufgaben erfüllen, etwa im Bereich der Entminung, für Katastrophenhilfe oder Vermittlungsdienste brauche es aber keine bewaffneten Kräfte. Roithner schlug die Aufwertung und Ausweitung ziviler Friedensdienste vor. Neutrale Staaten sollten den Dialog fördern und sich in der weltweiten Abrüstung engagieren. Gemeinsam mit dem „Versöhnungsbund“ hat er vor kurzem eine entsprechende Anfrage an die Parlamentsparteien sowie die neue, sich konstituierende österreichische Regierung gestellt.
Das Vertragswerk über ein weltweites Verbot von Atomwaffen nannte Roithner als positives Beispiel, in dem Österreich eine aktive Rolle gespielt habe. „Über 120 Staaten haben den Vertrag bereits unterschrieben. Wermutstropfen: darunter kein Atomwaffen besitzendes Land und auch kein NATO-Mitgliedsstaat.“ Abschließend ging Roithner auf die aktuellen globalen Machtverschiebungen ein, die sich in der stärkeren Zusammenarbeit der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika mit mittlerweile 42 Prozent der Weltbevölkerung ebenso äußern wie im chinesischen Projekt der Seidenstraße als neue Handelsroute und der militärischen Präsenz zahlreicher Staaten (auch der EU) am Horn von Afrika, einem neuralgischen Punkt des Seehandelsweges zwischen Asien und Europa.
Ökonomische Machtverschiebungen führen zu Hegemoniekonflikten und waren in der Geschichte sehr oft Ursache von Kriegen. Umso wichtiger ist es, die zivilen Kräfte der Kooperation zu stärken. Friedensforschung sowie eine wache Zivilgesellschaft können Wichtiges dazu beitragen, dies hab der Vortrag und auch die dem diesem folgende angeregte Diskussion sehr eindrucksvoll gezeigt.
Thomas Roithner ist Friedensforscher, er lehrt als Privatdozent am Institut für Politikwissenschaften sowie am Institut für Internationale Beziehungen der Universität Wien. Bis Ende Jänner arbeitet er als Robert-Jungk-Stipendiat der Stadt Salzburg in der JBZ. Nachzulesen sind Roithners Analysen in seinem Band „Märkte, Macht und Muskeln“, das in der Reihe JBZ-Zukunftsbuch präsentiert wurde. Im Rahmen seines Stipendiums wird Roithner auch ein Arbeitspapier zu Friedensperspektiven für die Europäische Union verfassen. Ein Interview zu seinem Salzburgaufenthalt ist auf der Homepage der Wissensstadt Salzburg nachzulesen.