Das von der JBZ im Auftrag des Landes Salzburg durchgeführte Projekt „Flüchtlinge im Dialog“ diente der qualitativen Erhebung der Werteeinstellungen von Flüchtlingen, die im Land Salzburg leben.
Die Ergebnisse der Dialogworkshops sind im JBZ-Arbeitspapier 38 erschienen. Die Projektleitung lag bei Dagmar Baumgartner und Hans Holzinger.

Insgesamt wirkten 41 Personen im Alter zwischen 17 und 48 Jahren an den Workshops mit. Die Mehrzahl der Teilnehmenden waren Männer, nämlich 32. Von den 9 Frauen nahmen sechs an der Frauengruppe teil, die drei weiteren in anderen Gruppen. Aus folgenden Herkunftsländern stammten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Afghanistan, Syrien, Irak, Jemen und Somalia.

Inhaltlich orientierten wir uns an den Grundwerten, die im Refugee-Guide des Bundesministeriums für Inneres (BMI) definiert sind, ergänzt um eigene Aspekte. Dies sichert die Kompatibilität zu anderen Erhebungen bzw. Fortbildungen.

Gemäß dem Ansatz einer qualitativen Sozialforschung sollte den Befragten die Möglichkeit gegeben werden, Einstellungen und Meinungen im Dialog ausgehend von ihren eigenen Lebenserfahrungen zu äußern. Ein Unterfangen, welches quantitative Erhebungen mit einfachen Ja/Nein- bzw. Multiple Choice-Fragestellungen in der Regel nicht leisten können. Die vorliegenden Ergebnisse sind daher als notwendige Ergänzung zu einschlägigen quantitativen Forschungsergebnissen anzusehen.

Zusammenfassung der Ergebnisse:

Im Unterschied zu quantitativen Umfragen bot das Setting der Dialogrunden den Teilnehmenden die Möglichkeit, Aussagen persönlich zu formulieren und im Austausch mit der Gruppe zu entwickeln.

Die qualitative und dialogorientierte Methode dieser Untersuchung ermöglichte dem Projektteam Ergebnisse quantitativer Forschung in Kontext zu setzen. Dieser Kontext stellte sich mehrfach als sehr wichtig heraus, um Einstellungen und Werthaltungen von Flüchtlingen richtig zu verstehen.

Insgesamt ergibt sich ein Bild, dass die hier untersuchte Personengruppe in zentralen Fragen Auffassungen teilt, wie sie in der österreichischen Gesellschaft bereits präsent sind. Eine grundsätzliche Akzeptanz von Meinungsfreiheit, Menschenwürde, der Trennung von Kirche und Staat sowie die Befürwortung der Demokratie wird kombiniert u.a. mit einem überwiegend konservativen Frauenbild, einer durch Erfahrungen in den Herkunftsländern geprägten Skepsis gegenüber dem Mehrparteiensystem und bestimmten religiösen Traditionen. Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass diese Auffassungen im Leben der Dialogpartner weniger Relevanz haben als Bildung und der Zugang zum Arbeitsmarkt, um individuell und/oder als Familie voranzukommen. Unsere Dialogpartner und Dialogpartnerinnen sind nicht gekommen, weil sie Österreich verändern wollen.

Meinungsfreiheit und Menschenwürde wurden durchgehend als positive Werte beurteilt. Die Nichteinhaltung dieser Werte in ihren Herkunftsländern, bedingt durch Krieg und Verfolgung, nannten viele der Teilnehmenden als Ursache für ihre Flucht. Bemerkenswert ist beispielsweise, dass auch das überwiegend befürwortete Tragen des Kopftuchs durch Frauen auch bei dieser Personengruppe als Ausdruck der individuellen Freiheit argumentiert wird – und ein Durchsetzen dieser Kopfbekleidung bei anderen Personen folgerichtig abgelehnt wurde.

Die Trennung von Religion und Staat wurde mehrheitlich als wichtig hervorgehoben, auch wenn dies in der Praxis nicht immer leicht sei. Deutlich wurde aber auch, dass den meisten der Teilnehmenden Religion und Glaube wichtig sind. Mehrmals wurde betont, dass das Problem im Missbrauch der Religion bzw. des Islam für das Schüren von Konflikten liege.

Die Demokratie wird befürwortet. Der hohe Sicherheitsstandard und die Verlässlichkeit seitens der österreichischen Politik und Verwaltung wird sehr geschätzt. Mehrparteiensysteme wurden von den Flüchtlingen aber skeptisch beurteilt.

Bedeutend ist, und das stellte sich bei den Dialogrunden heraus, dass die Kritik am Mehrparteiensystem sich aus den Erfahrungen mit den Parteiensystemen in ihren Herkunftsländern speist. Im Kern wendet sich die Kritik gegen ethnisch und/oder religiös definierte Trennlinien des Parteiensystems und nicht grundsätzlich gegen Parteienpluralismus.

Hinsichtlich Gleichberechtigung von Mann und Frau herrschen die traditionellen Rollenbilder insofern vor, als mehrheitlich gemeint wurde, dass Haushalt und Kindererziehung Aufgabe der Frau sei. Und es wurde betont, dass es Berufe gäbe, die für Frauen nicht passen würden, etwa am Bau zu arbeiten oder Taxi zu fahren. Zugleich wurde aber betont, dass eine gute Ausbildung auch für Frauen und Mädchen wichtig sei.

Das überwiegende Interesse und Engagement der Befragten zielt aber auf das eigene soziale Fortkommen und die Chancen der Kinder ab, gerade vor dem Hintergrund der Fluchterfahrung. Große Hoffnungen setzten die Teilnehmenden in eine bessere Bildung und Zugänge zum Arbeitsleben. Früher einen Asylbescheid zu erhalten und hier in Österreich einer Arbeit nachgehen zu können, um nicht auf Kosten des österreichischen Staates leben zu müssen, wurde sehr häufig als Wunsch geäußert. Zudem sollte es möglich sein, dass Flüchtlinge in Österreich Qualifikationen erwerben können, die in ihren Herkunftsländern von Nutzen seien, wenn sie wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Dagmar Baumgartner, Hans Holzinger: Flüchtlinge im Dialog. Einstellungen zu Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenleben von in Salzburg lebenden Flüchtlingen. JBZ-Arbeitspapier 38. Salzburg 2017, 64 S.
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