Wie begegnen wir dem sich ausbreitenden Populismus? Wie lässt sich der Einfluss wirtschaftlicher Macht auf Politik und Medien zurückdrängen? Wie der Egoismus in unserer Gesellschaft überwinden? Würde mehr Mitbestimmung die Demokratie beleben? So unterschiedliche Fragen stellten die Besucher und Besucherinnen letzten Donnerstag dem Podium aus Regionalpolitik und Wissenschaft in der Kunstbox Seekirchen auf Einladung von attac Flachgau, einer Gruppe, die sich für ein faires und demokratisches Wirtschaftssystem einsetzt.
Einleitend machte Alexandra Strickner von der Wirtschaftsuniversität Wien, Mitverfasserin einer Broschüre „Was unsere Demokratie jetzt braucht“, sieben Zukunftsvorschläge. Darunter ein verlässliches, respektvolles Miteinander im Alltag, soziale Sicherheit als Basis für politische Teilhabe, eine faire Wirtschaft und den Ausgleich unterschiedlicher Interessen, die Beteiligung aller Menschen, die bei uns leben, eine unabhängige und alle gleich schützende Justiz, unabhängige Information durch freie Medien sowie schließlich Geschlechtergerechtigkeit. Männer und Frauen müssten in „allen Lebensbereichen gleichgestellt und gleich vertreten sein“.
Dem stimmte Tanja Kreer, Bürgermeisterin von Straßwalchen (SPÖ), voll zu. Auch in der Politik müssten Frauen mehr Gewicht erlangen. Sie betonte den persönlichen Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen, was auf kommunaler Ebene leichter zu verwirklichen sei als auf Landes- oder Bundesebene. Es müsse aber auch die Bereitschaft der Menschen bestehen, zu Versammlungen oder Sprechstunden zu gehen.
Michael Prantner, Bürgermeister von Elixhausen (ÖVP) berichtet, dass in seiner Gemeinde zahlreiche Bürger und Bürgerinnen in Themenarbeitskreisen mitarbeiten, woraus vielfach ein dauerhaftes Engagement entstanden sei. Mehr Entscheidungen sollten wieder auf kommunaler Ebene getroffen werden, weil hier eben Bürgernähe bestehe. Direkte Demokratie ist für ihn kein Allheilmittel, da in der Politik viele Entscheidungen zu treffen seien und dies entsprechende Expertise verlange.
Josef Scheinast, Landtagsabgeordneter (Grüne), ging auf den Populismus ein, der notwendige, kluge Lösungen häufig verhindere. Etwa beim Bau von Windrädern in Salzburg. Direkte Demokratie könne zur Belebung beitragen, erfordere aber ein Bewusstsein für Gemeinsinn. Das Prinzip „Nur nicht in meinem Garten“ könne nicht die Lösung sein. Notwendig seien nachhaltige Wirtschaftsstrukturen, aber auch ein Umdenken der Bürger und Bürgerinnen, etwa um die Klimakrise abzuwenden.
Politische Kultur durch Sachdiskussionen
Hans Holzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, betonte die Bedeutung sachlicher Auseinandersetzungen für eine lebendige Demokratie. Politik erfordere, Menschen für seine Ideen zu gewinnen. Wem es gelingt, seine Anliegen und Ziele in die Öffentlichkeit zu bringen, habe Erfolg. Dies sei auch die Aufgabe und Stärke von zivilgesellschaftlichen Initiativen der Umwelt, Sozial- oder Menschenrechtsbewegung. „Fridays for Future“ habe dies gezeigt. Komplexe Gesellschaften erfordern, so der Nachhaltigkeitsexperte, ein arbeitsteiliges Vorgehen in der Politik. Auf allen Ebenen von der Kommune bis zur Europäischen Union gehe es darum, um sachliche Zukunftslösungen zu ringen. Mehr Beteiligungsräume etwa in Zukunftswerkstätten oder durch Bürgerbegehren würden jedoch die Demokratie stärken. „Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, den Bundesrat abzuschaffen und dafür einen Fond für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung einzurichten“, so Holzinger, der sich auch für die Abschaffung von Parteispenden sowie für von Werbung freie Medien aussprach.
Neoliberales Denken überwinden
Länger diskutiert wurde über den zerstörerischen Einfluss des neoliberalen Denkens auf die Politik. Die völlige Deregulierung der Finanzmärkte, das Zulassen von Überreichtum sowie von Steuerflucht durch die Konzerne destabilisiere die Wirtschaft und entziehe dem Staat und der öffentlichen Daseinsvorsorge notwendige Mittel, was die Demokratie schwäche, warnte die Ökonomin Alexandra Strickner. Josef Scheinast, Sprecher der Grünen Wirtschaft Salzburg, brachte es auf den Punkt: „Entscheidend ist nicht die Staatsquote, sondern was der Staat den Menschen bietet.“ Hans Holzinger ergänzte, dass das neoliberale Denken sich auch in den Köpfen der Menschen festgesetzt habe: „Der Staat und die öffentlichen Einrichtungen werden abgewertet, Solidarität und Zusammenhalt gehen verloren, die Ideologie, dass jeder allein für sein Glück verantwortlich sei, hat sich ausgebreitet.“
Zahlreiche Studien und Publikationen warnen vor dem Verfall der Demokratie und einem neuen Autoritarismus. Der vom Seekirchner Organisationsberater Willi Tschernutter moderierte Abend war ein Vorbild für gelebte Demokratie. Viele kamen zu Wort, man hörte einander zu und ging sachlich auf Fragen ein. „Es braucht konstruktive Gespräche darüber, was Demokratie ist und wie wir alle dazu beitragen können“, so Kurt Egger von attac Flachgau abschließend, der im Seekirchner Gemeinderat sitzt und zur Diskussion eingeladen hatte.
Foto: Josef Handlechner, attac Flachgau