Die 146. Montagsrunde – und zugleich die erste, die Online durchgeführt wurde – war nicht Covid 19 gewidmet, sondern der sehr unterschiedlichen Rezeption des Philosophen Friedrich Nietzsche. Der Politikwissenschaftler Mario Wintersteiger zeigte in seinem Vortrag und dann im Gespräch mit Stefan Wally, dass Nietzsches Denken durchaus ambivalent ist und auch missbraucht wurde, aber dennoch sehr aktuelle Bezüge aufweist. Es gab eine anregende Online-Diskussion. Und: Sowohl der Vortrag wie auch das Gespräch von Stefan Wally mit dem Nietzsche-Experten können auf JBZ TV angesehen werden.

Als Kritiker der modernen Großerzählungen, als Verkünder von Mythen wie jenem der „ewigen Wiederkunft“ und als Verbreiter „verbotenen Wissens“ hat Nietzsche die Philosophie und Kunst gleichermaßen beeinflusst. Auch politische Bewegungen ließen sich von ihm inspirieren. Dass er dabei immer wieder missverstanden und für ideologische Zwecke missbraucht wurde, hat seinen Ruf bei vielen nachhaltig beschädigt. In der Postmoderne jedoch, deren Ahnherr er ist, ist sein polarisierendes Denken wieder neu aufgegriffen worden. In trivialer Form geistert Nietzsche mittlerweile sogar durch die Populärkultur.

Eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit ihm aber muss sich vor allem einem Befund stellen: Viele der Fragen, die sich in heutigen Gesellschaften aufdrängen, ähneln den Fragen, mit denen sich schon Nietzsche beschäftigt hat. In einer Zeit, in der über das „Postfaktische“, über Populismus, Trump und „politische Korrektheit“ diskutiert wird, wirft Nietzsche einen längeren Schatten, als viele meinen.