Wie verhalten sich Tradition, Vielfalt und Wandel, unter anderem durch Migration, zueinander? Eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer unter der Leitung von Yvonne Kirchmauer (Migrations- und Integrationskoordination des Landes Salzburg) beschäftigten sich mit diesem Thema. Der Abschlussbericht liegt nun in einem Arbeitspapier der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen vor.
Traditionen spielen in den Alpenraumregionen eine große Rolle. Gemeinsam haben diese Regionen, dass Traditionen Sicherheit geben, zu einem Verständnis der Lebenswelten der jeweiligen Region beitragen und ein Miteinander der Menschen in der jeweiligen Region fördert. Traditionen beinhalten daher sowohl individuelle wie auch gemeinschaftliche Wertesysteme der Menschen in den Alpenregionen und stellen somit eine Basis für das Alltagsleben, aber auch für wirtschaftliches und ökologisches Handeln dar.
Sehr oft werden Traditionen als etwas Ausschließliches interpretiert, das nur „uns“ eigen ist und zu „uns“ gehört. Damit haben sie das Potenzial des Trennenden, das exklusiv nur den schon lange bei uns ansässigen „gehört“. Traditionen unterliegen aber – ebenso wie die Kultur einer Gesellschaft als Ganzes – einer laufenden Änderung und Anpassung an die aktuelle Situation. Traditionen sind seit jeher auch beeinflusst von Wirkungen, die von „außen“ kommen – kulturelle Einflüsse, wirtschaftliche Notwendigkeiten,… In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass selbstverständlich auch die Zuwanderung von Menschen Traditionen beeinflusst.
Traditionen zu pflegen und für Zugewanderte zu öffnen, ist genauso Element der Integration wie die Offenheit der Mehrheitsgesellschaft gegenüber der Kultur der neu Zugewanderten. Diese Offenheit bedeutet für die Zugewanderten, dass sie unter Bewahrung ihrer Traditionen sich auf die Gepflogenheiten und Lebensrealitäten des Landes einlassen und sich damit produktiv auseinandersetzen. In der Verbindung von bewährter und neu ins Land gebrachter Vielfalt bieten die Alpenraumregionen allen hier lebenden Menschen Heimat fur ein eigenverantwortliches Leben. Dadurch ermöglichen die Alpenländer, soziale und kulturelle Vielfalt in Freiheit und Respekt voreinander und gegenseitiger Wertschätzung zu leben.
Was hat sich über die Jahre und Jahrzehnte bewährt? Was gibt den Menschen Beständigkeit? Welche Bedeutung haben Traditionen in einer Zeit intensiver gesellschaftlicher Entwicklungen und internationaler Wanderungsbewegungen? Wie verändern sich Traditionen? Können „eingewanderte“ Traditionen und Kulturen in „unsere“ Traditionen Eingang finden und Teil einer neuen – gemeinsamen – Identität werden? Oder sind Traditionen zwangsläufig ein Hindernis für Offenheit gegenüber Neuem? Welche Aufgabe haben Traditionen als Instrument für gelungene Integration? Und welche Funktion haben sie für eine gemeinsame Identität bzw. für die Identifikation mit der Gesellschaft in der man lebt. Um ein gegenseitiges Verständnis zu erzielen, erscheint es essenziell, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen und mögliche Antworten zu finden.
Yvonne Kirchmauer, Dagmar Ziegler: Tradition. Vielfalt. Wandel. Einwanderung als integraler Bestandteil der kulturellen Identität im Spannungsfeld von Tradition und Offenheit. JBZ-Arbeitspapier 55. Salzburg 2021, 77 S.
Das Arbeitspapier zum Download auf deutsch oder auf italienisch.