Zur Vermögensforschung hat in Österreich kaum jemand so viel beigetragen wie der Wirtschaftswissenschafter und Psychotherapeut Martin Schürz. Mit dem unter seiner Leitung erhobenen Household Finance and Consumption Survey der Nationalbank (HFCS) besteht erstmals ein konsistentes Datenset zur Vermögensverteilung. Sein neues Buch »Überreichtum« war auf der shortlist zum Wissenschaftsbuch des Jahres in Österreich. Es geht weit über die statistische Darstellung der Verteilung der Vermögen hinaus und zeigt die mit exzessivem Reichtum verbundenen Gefahren für Demokratie und politische Gleichheit. Unsere Rezension auf prozukunft.
Wir präsentieren das Buch gemeinsam mit der Arbeiterkammer Salzburg und der Salzburger Armutskonferenz in der Reihe „JBZ-Zukunftsbuch“.
Referent: Dr. Martin Schürz, Wien. Moderation: Mag. Reinhard Hofbauer (AK), Mag. Hans Holzinger (JBZ), Chat-Moderation: Carmen Bayer (Armutskonferenz). Do., 15 April 2021, 19.00, JBZ-Onlineraum. Den Link gibt es nach der Anmeldung
Dr. Martin Schürz ist Ökonom und Psychotherapeut. Er forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Vermögensverteilung in Europa. Er ist Lektor an der Wirtschaftsuniversität in Wien und war als Vortragender auch schon des Öfteren in Salzburg, etwa bei der Armutskonferenz. 2015 erhielt er den Progressive Economy Award des Europäischen Parlaments. In seinem 2019 erschienenen Buch „Überreichtum“ argumentiert Martin Schürz, dass es nicht reicht, Armuts- und Reichtumsstatistiken zu erstellen – so wichtig diese sind –, sondern dass wir darauf schauen müssen, wie über Armut und vor allem auch über Reichtum gesprochen (oder nicht gesprochen) wird, welche Gefühle damit verbunden werden, welche Bilder zu Armut und Reichtum konstruiert, welche Begriffe verwendet werden – Schürz spricht daher bewusst nicht von „Hyperreichen“ sondern von „Überreichen“.
Mag. Reinhard Hofbauer ist wirtschaftspolitischer Referent der Arbeiterkammer Salzburg.
Mag. Hans Holzinger ist pädagogischer Leiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen.
Carmen Bayer MA ist Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz.
Das Buch: Martin Schürz: Überreichtum. Campus. 2019. 226 Seiten, € 24,95 Bestellen
„Ein faktenreiches und aufrüttelndes Buch“ (AK-Chefökonom Markus Marterbauer im FALTER)
Einige Zitate aus dem Buch:
„Negative Gefühle wie Neid und Hass werden eher den Armen als Laster zugeschrieben, Großzügigkeit und Mitleid den Überreichen als Tugenden“ (S. 12)
„Der Begriff überreich beinhaltet das Urteil, dass jemand zu viel hat. Das zu viel kann quantitativ bezogen werden auf eine bestimmte Vermögenshöhe. Menschen sind aber auch überreich, wenn sie auf Basis ihres Vermögens Gerechtigkeitsprinzipien verletzen, die Demokratie gefährden und andere Personen verletzen.“ (S. 12)
„Wenn die Bevölkerung wenig über die Vermögensverteilung weiß, kann sie auch nicht nach rationalen Legitimationen von Reichtum fragen und keine und keine Umverteilungsforderung an den Staat richten.“ (S. 33)
„Bislang hat die Politik weder in den USA noch in Europa Vorgaben für ein richtiges Ausmaß der Ungleichheit gegeben. Die Vermögensverteilung wird daher im Grunde als natürliches Ergebnis betrachtet.“ (S 35)
„Wer Reichtum als positives Leitbild empfindet, wird andere Fragen für wichtiger erachten als jemand, der in Reichtum eine Ursache von Armut vermutet. Wer Reiche als Leistungsträger sieht, wird stärker auf Bildung, Einstellung und Haltung der Armen achten als auf eine progressive Vermögensbesteuerung und Umverteilung.“ (S. 42f)
„Während bei der Philanthropie der Überreichen die Höhe der gespendeten Beiträge in den Medien fasziniert, ist es bei Erbschaftssteuern umgekehrt: Steuersätze, die bei Arbeit akzeptiert werden, werden beim Erben als Enteignung verstanden.“ (S. 90)
„Ein armer Mensch mag die extreme Reichtumskonzentration nicht sehen wollen, weil sie ihn ohnmächtig stimmt, ein überreicher Mann will sie vielleicht nicht wahrnehmen, weil sie ihm unangenehme Schuldgefühle macht. … Würden Arme und Reiche aber miteinander sprechen, so könnten sie sich vielleicht sogar auf gewisse Gerechtigkeitsprinzipien einigen.“ (S. 140)