In einem äußerst erhellenden Vortrag der Reihe „JBZ-Zukunftsbuch“ referierte der Ökonom und Psychotherapeut Martin Schürz zentrale Gedanken seines Buches „Überreichtum„. Neben Statistiken zur Vermögensverteilung gehe es auch um die Frage, wie über Armut und Reichtum gesprochen oder nicht gesprochen wird, so eine zentrale Aussage. Eine spannende Kooperation mit der Arbeiterkammer Salzburg und der Salzburger Armutskonferenz. Hier ein kurzer Bericht. Das Video zum Vortrag sowie der Diskussion gibt es auf JBZ TV.

In seinem 2019 erschienenen Buch „Überreichtum“ argumentiert Martin Schürz, dass es nicht reicht, Armuts- und Reichtumsstatistiken zu erstellen – so wichtig diese sind –, sondern dass wir darauf schauen müssen, wie über Armut und vor allem auch über Reichtum gesprochen (oder nicht gesprochen) wird, welche Gefühle damit verbunden, welche Bilder zu Armut und Reichtum konstruiert , welche Begriffe verwendet werden. Im Vortrag sprach Schürz von Fallstricken, die Reichtum in ein sehr positives Licht rückten, etwa durch Philanthropie oder Erfolgsgeschichten wie jene „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Bei Umfragen werde die Ungleichheit der Vermögensverteilung stark unterschätzt. Die Reichen selbst würden sich als weniger vermögend einschätzen als sie tatsächlich sind. Reichtum würde in der Gesellschaft eher bewundert, Armut als selbstverschuldet dargestellt. Das erschwere Mehrheiten für eine faire Verteilung zu finden. Wichtig sei auch, wie über Reichtum gesprochen wird. Schürz verwendet bewusst den Begriff „Überreichtum“, der von Aristoteles stammt und eben das „Zuviel an Reichtum“ ausdrückt.

Um die „Gefühlsallianz mit den Reichen“ aufzubrechen, sind nach Schürz zum einen valide Daten nötigt, etwa durch ein transparentes Vermögensregister, zum anderen müssten Fragen anders gestellt werden. Anstatt zu beschwichtigen, dass die Vermögenden ohnedies sehr viel zur Gesellschaft beitragen würden, oder von diesen kleine zusätzliche Beiträge in Krisenzeiten zu erbitten, gehe es um die Frage, in welcher Gesellschaft mit welcher Vermögensverteilung wir leben wollen, welche Vermögensungleichheit demokratieverträglich, welche demokratiegefährdend sei. Denn Vermögen bedeute immer auch Einfluss.

In der Diskussion mit Reinhard Hofbauer von der AK Salzburg, Carmen Bayer von der Armutskonferenz Salzburg sowie Hans Holzinger von der JBZ ging Schürz auch auf die Vermögensverteilung in Österreich, die unterschiedlichen Formen von Vermögen, die Notwendigkeit von Erbschafts- sowie höheren Vermögensteuern ein. Als Wissenschaftler, der empirisch zur Vermögensverteilung forscht, wolle er keine Zahl über Vermögensgrenzen nennen, dies müsse gesellschaftlich ausgehandelt und demokratisch entschieden werden. Als Psychotherapeut erfahre er aber tagtäglich, dass zu große Reichtumsunterschiede Gesellschaften nicht guttun und dem sozialen Ausgleich entgegenstehen. Fazit: Eine seriöse und viel offensivere Debatte über eine faire Verteilung ist, wie AK-Direktorin Cornelia Schmidjell in der Einführung betonte, angesichts der Coronakrise aktueller denn je.

Den Vortrag sowie die Diskussion gibt es demnächst auf JBZ TV zum Ansehen. Zudem stellte Martin Schürz einen Foliensatz zur Vermögensverteilung und dessen Erfassung zur Verfügung. Das lesenswerte im Campus-Verlag erschienene Buch „Überreichtum“ kann im Rahmen einer Sonderausgabe der deutschen Bundeszentrale für Politische Bildung aktuell um 4,50 Euro bezogen werden. Eine Besprechung des Buches findet ihr auf unserer Bücherdatenbank „pro zukunft“.