„Ohne Arbeitsrecht gibt es keine gute Arbeit“, so Univ. Prof. Klaus Firlei in der 178. Montagsrunde der JBZ zum Thema „Das Ende der Arbeit, wie wir sie kannten“ am 11. April 2022 (im Bild mit Stefan Wally). In Österreich gäbe es ca. 200 Arbeitsgesetze, dazu kämen zahleiche Verordnungen der EU. Der Schlüsselbegriff des Arbeitsrechts sei das Normalarbeitsverhältnis, das auf Dauer angelegt ist, einen Arbeitszeitschutz gewährleistet und in die Sozialversicherung eingebunden ist. Dieses Normalarbeitsverhältnis erodiere jedoch immer mehr, es komme zur Flexibilisierung und Entgrenzung der Arbeitszeiten, zur Zunahme der Leiharbeit, zur Stagnation der Löhne sowie dem Ansteigen der „Working poor“, betonte Firlei in seinem Vortrag. Hier geht es zum Video.

Firlei sprach von einer „Illusion der permanenten Aufwärtsentwicklung“ und der „Vision eines europäischen Sozialmodells“, das seit den 1980er-Jahren brüchig geworden sei. Die Rolle der Nationalstaaten sei geschwächt, eine europäische Sozialunion in weiter Ferne. Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik, das neben stabilen Finanzen, einer niedrigen Inflation und Wachstum auch Vollbeschäftigung beinhaltet hat, sei aufgegeben worden zugunsten einer neoliberalen Wende. Der Arbeitsrechtler sieht eine „Politiklücke“, die durch die Globalisierung entstanden ist. Die Parteien der Mitte erodieren, die Linke sei zersplittert und mit Identitätsfragen beschäftigt, die Rechten würden sich mit populistischen Argumenten nur scheinbar der Verlierer annehmen.

Rechtliche Regulierungen laufen immer mehr ins Leere, da die Arbeitswelt sowie die Arbeitsverhältnisse heterogener werden, so Firlei weiter. Die sozialen Kosten der Arbeitsverdichtung und Arbeitszeitentgrenzung würden auf die Betroffenen sowie die Allgemeinheit abgewälzt: „8 Mrd. Euro kosten psychische Erkrankungen mittlerweile jährlich in der EU.“ Zu all dem komme nun der Konflikt zwischen der sozialen und der ökologischen Frage. Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, dann müsse Energie ebenso teurer werden wie Lebensmittel. Ein neuer Sozialvertrag sei jedoch nicht in Sicht.

Was ist dem entgegenzusetzen? Firlei betonte, dass es keine einfachen Lösungen gäbe („Der größte Feind von Humanisierungsbestrebungen sind Illusionen“), es sei jedoch unsere intellektuelle Verpflichtung, realpolitische Konzepte zu entwickeln. Die Stärkung der Arbeitnehmer:innen in den Unternehmen bleibe wichtig, die Einbindung des Strafgesetzes bei Verstößen sei anzudenken, Arbeitsinspektorate müssten ausgebaut werden. Notwendig sei eine Gleichstellung von Sorge- und Erwerbsarbeit ebenso wie die Finanzierung von nützlicher Arbeit durch den Staat. Ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnte Firlei ab, neue Bilder von einem guten Leben jenseits des Entertainments seien aber nötig – auch, um die Umweltkrise einzudämmen.

In der Diskussion wurde die sich stark ausdifferenzierende Arbeitswelt mit Gewinner:innen und Verlierer:innen betont. Arbeitnehmner:innen mit guter Qualifikation würden ihre Chancen wahrnehmen können, geringer Qualifizierte jedoch ausgebeutet, wenn sie keine starke Vertretung haben. Eine gewisse Entsolidarisierung durch die Heterogenität der modernen Arbeitswelt bestätigte auch Firlei. Diese mache es neben der zunehmenden Vereinzelung der Arbeitnehmer:innen schwieriger, gemeinsam Stärke zu entwickeln.

Bericht: Hans Holzinger