Die Kritik am BIP als angeblichem Wohlfahrtsindikator einer Gesellschaft hat in den letzten Jahren eine Reihe von Versuchen angeregt, bessere Maße für die Qualität einer Gesellschaft zu entwickeln. Am bekanntesten sind der neuerdings erweiterte Human Development Index, der Happy Planet Index oder der OECD-Better Life Index.

Was aber unter Lebensqualität verstanden wird, ist keineswegs klar, denn Lebensqualität ist ein normatives Konzept, das Kriterien für das gute Leben identifizieren will. Sobald die Ebene individueller Befindlichkeit verlassen wird muss die Definition dieser Kriterien auf gesellschaftlich geteilten Werten basieren.

Ressourcenorientierte Lebensqualitätskonzepte gehen davon aus, dass es identifizierbare menschliche Bedürfnisse gibt, deren Befriedigung die Lebensqualität erhöht. Sie sind vergleichsweise einfach zu messen. Subjektivistische Lebensqualitätskonzepte betonen dagegen stärker die Dimension des individuell-subjektiven Wohlbefindens, wie immer diese zustande kommen mag.

In der Operationalisierung unterschiedlicher Lebensqualitätskonstrukte kommen diese Unterschiede deutlich zum Vorschein, etwa in der Auswahl adäquater Indikatoren, ihrer exakten Messung und gegebenenfalls der Aggregierung einzelner Dimensionen und ihrer standardisierten Indikatorwerte zum einem Gesamtmaß für die Lebensqualität einer Gesellschaft. Drei Typen von Lebensqualitäts- oder Wohlfahrtsmaßen haben sich etabliert: die BIP-Korrektur um lebensqualitätsrelevante Variablen, soziale Indikatoren und Lebensqualitätsindizes.

Grundsätzliche Probleme der BIP-Korrektur bestehen v.a. darin, dass die monetäre Messung von Lebensqualitätsaspekten wie etwa des sozialen Zusammenhalts in einer Gesellschaft von einem objektiven gesellschaftlichen (und messbaren) Nutzen ausgeht, der zu Marktpreisen bewertet werden und einigermaßen widerspruchsfrei in das System der Sozialproduktsberechnung integriert werden muss. Soziale Indikatoren haben zwar keine statistischen Aggregationsprobleme, fallen aber oft recht umfangreich aus und lassen sich durch die Nichtaggregation auch nicht zu einem eindimensionalen Lebensqualitätsmaß verdichten. Systeme sozialer Indikatoren dienen der Begründung und Fokussierung politischer Ziele (etwa der Reduktion der Armutsgefährdung) und nicht zuletzt auch der Erfolgskontrolle von politischen Maßnahmen.

 Am fortgeschrittensten erscheinen sind Versuche, volkswirtschaftliche Größen wie das BIP/Kopf um Verteilungs- und Konsummaße sowie Indikatoren gesellschaftlicher Teilhabe (wie der Bildungsbeteiligung oder des Zugangs zu Gesundheitsleistungen sowie auch des Umweltverbrauchs) zu Indizes zu komprimieren.

Dabei erhalten, durch die Auswahl der Indikatoren, deren Gewichtung und Standardisierung sowie der Aggregation von Indikatoren unterschiedlicher Skalenniveaus, normative Aspekte der Lebensqualität besonderes Gewicht. Insbesondere die Bewertung zukünftiger Folgen heutiger Maßnahmen erweist sich als strittig.

Insgesamt erscheinen einige der bekannteren Lebensqualitätsindizes theoretisch und methodisch noch unausgereift und damit für die Steuerung der politischen Zielerreichung zu wenig entwickelt. Inwieweit sie in näherer Zukunft zu Maßen entwickelt werden können die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und auch für die Administration Relevanz erlangen, muss derzeit noch zurückhaltend beurteilt werden.

Als ergänzende Informationsgrundlage für die Bewertung gesellschaftlicher Lebensqualität sind alternative Lebensqualitätsmaße nichtsdestotrotz spannend und informativ. Empirisch zeigt sich, dass in den meisten neueren Lebensqualitätsindizes, die mit konventionellen Wohlfahrtsmaßen sowie Verteilungsmaßen arbeiten, entwickelte Wohlfahrtsstaaten die höchste Lebensqualität aufweisen. Eine starke Gewichtung von Nachhaltigkeitsdimensionen verringert die so gemessene Lebensqualität von Wohlfahrtsstaaten.

Reinhard Hofbauer: Lebensqualität als alternative Zielformel und Erfolgskennzahl in modernen Gesellschaften? JBZ-Arbeitspapier 10. Salzburg 2011, 68 S.
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