Auf großes Interesse stieß der Infoabend in der Reihe „Projekte des  Wandels“ der Robert-Jungk-Bibliothek über junge Initiativen aus Salzburg, denen es um eine andere Form von Landwirtschaft und Beziehung zu Lebensmitteln geht. Susanne Imhof vom „Salzkörndl“ berichtete über die mittlerweile vier Foodcoops in der Stadt Salzburg, Klemens Pürmayr über den Verein „Erdlinge„.

Eine Foodcoop, zu Deutsch Lebensmittelkooperative, ist ein Zusammenschluss von Personen und Haushalten, die selbstorganisiert Produkte nach ökologischen und sozialen Kriterien direkt von den Produzentinnen beziehen. Bei Foodcoops geht es aber nicht nur darum, gesunde Lebensmittel beziehen zu können, so Susanne Imhof. „Foodcoops sind ein Ausdruck der Kritik am gängigen Lebensmittel- und Agrarsystem, das sehr stark von Supermärkten und Agrarindustrie dominiert ist.“

„Unabhängig von Supermärkten werden“

Mit „Bonaudelta“, „dem „Salzkörndl“, „Morzgut“ und der vor kurzem gegründeten Gruppe Josefiau gibt es derzeit vier Initiativen in der Stadt Salzburg. Susanne Imhof schilderte am „Salzkörndl“, die derzeit 30 Mitglieder umfasst, wie eine Foodcoop funktioniert. Es gibt zwei Modelle: Lebensmittel werden von den Mitgliedern vorab bestellt und dann aus dem gemeinsamen Lager abgeholt. Oder – so funktioniert „Bonaudelta“ – es wird pro Woche eine bestimmte Menge an Lebensmitteln geliefert, die sich die Mitglieder abholen. Aus den Nachfrageerfahrungen  werden die neuen Bestellmengen  immer wieder neu justiert. Die „Für und Wider“ beider Modelle hat die Gruppe des „Salzkörndl“ an einem „Showplenum“ vorgeführt. Beliefert werden die Kooperativen in beiden Fällen  von Biobauern aus der Umgebung. Angeboten werden nur saisonal verfügbare Lebensmittel, aber es gibt auch nachhaltig produzierte Hygieneartikel und sogar Kondome, so Imhof: “Das heißt, man kann sich dadurch (fast) unabhängig von Supermärkten versorgen.”

Imhof schilderte in ihrem Vortrag zwei weitere innovative Ansätze des Umgangs mit Lebensmitteln, Gemeinschaftsgärten, in denen Mitglieder Beete zum Anpflanzen von Gemüse mieten können, sowie zwei „Foodsharing“- Projekte an der Universität Salzburg. In öffentlichen Kühlschränken, die an der geisteswissenschaftlichen und Naturwissenschaftlichen Fakultät aufgestellt sind, können übrig gebliebene, noch nicht verdorbene Lebensmittel abgegeben, aber auch kostenfrei entnommen werden.

“Landwirtschaftliches Wissen weitergeben”

Mit Kritik an der industriellen Landwirtschaft, die zu immer größerem Bauernsterben führt, begann auch Klemens Pürmayr von den „Erdlingen“ seinen Vortrag. Bei den „Erdlingen“ haben sich Menschen zusammengeschlossen, die gemeinsam bei Bauern Ackerflächen pachten, um Lebensmittel selbst anzubauen. Es geht dabei also um eine Art Selbstversorgung sowie um das gemeinsame Sammeln und Austauschen von Erfahrungen. Landwirtschaftliches Wissen soll erhalten und weitergegeben werden. Derzeit betreibt der Verein „Erdlinge“ Flächen in Aigen sowie in Oberndorf. In Oberndorf wurde zudem eine Streuobstweise gepachtet, in der jährlich frisches Obst geerntet werden kann.

Der Abend bot die Möglichkeit, die vorgestellten Projekte kennenzulernen und mit den Initiator*innen ins Gespräch zu kommen. Die lebendige Diskussion im Anschluss an die Vorträge zeigte, dass das Interesse an neuen Formen des Umgangs mit Lebensmitteln groß ist und eine Renaissance der bäuerlichen Landwirtschaft auch auf Initiativen junger Menschen aus urbanen Milieus gestärkt werden kann.

Die geschilderten Initiativen sind auf dem von der Robert-Jungk-Bibliothek aufgebauten „Salzburger Atlas für nachhaltige Entwicklung“ zu finden. In Salzburg gibt es heute über 120 Bauernmärkte und Hofläden, doch die Zahl der KFZ-Händler- und -Reparaturwerkstätten liegt bei über 1.600. Salzburgs Landwirtschaft trägt nur mehr mit 1,2 Prozent zum Bruttoregionalprodukt bei, mehr als 16 Prozent der Wirtschaftsleistung fallen laut einer Studie von Statistik Austria jedoch auf die Automobilbranche, bei Finanzdienstleistungen sind es über sechs Prozent. Eine Aufwertung der Landwirtschaft ist allemal geboten. Selbstverständlich kann Salzburgs Bevölkerung nicht allein über Bauernmärkte, Hofläden oder die hiergeschilderten Lebensmittelkooperativen versorgt werden. Doch das sich ändernde Ernährungsbewusstsein bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Lebensmittelhandel: Frische, das heißt Verzicht auf industrielle Vorverarbeitung, Regionalität und biologischer Anbau gewinnen an Bedeutung.  Die hier vorgestellten Initiativen sind „Trendsetter“ hierfür.

Vortragsfolien:
Foodcoops in Salzburg_Vortrag Susanne  Imhof
Verein Erdlinge Vortrag Klemens Pürmayr

Bericht: Hans Holzinger