Ruth Wodak zählt zu den weltweit rennomiertesten Linguistikexpertinnen und lehrte u.a. an der Lancatser University. Bei unserer Tagung ZUKUNFT:INTERNATIONAL referierte sie über ein Forschungsprojekt, in dem die sich änderenden Identitätsdiskurse in Österreich und der Wandel der öffentlichen Debatten über Flüchtlinge seit 2015 analysiert wurde. Hier ein Bericht.

In einem Forschungsprojekt der Universität Wien wurden die sich verändernden öffentlichen Diskurse über die österreichische Identität von 1995 bis 2015 analysiert. Forschungsleiterin Ruth Wodak ging in ihrem Vortrag insbesondere auf den Wandel des öffentlichen Diskurses im Zuge der Flüchtlingesbewegung 2015 ein. 8.000 Zeitungsartikel aus den Jahren 2015 und 2016 wurden zu diesem Thema ausgewertet.

 

Auffallend ist die Ereignisdichte des Jahres 2015: So gab es nicht nur die Flüchtlingsbewegungen nach Europa aufgrund des Syrienkrieges, sondern auch mehrere Terroranschläge sowie die medial breit inszenierten Übergriffe von geflüchteten Männern auf Frauen in der Silvesternacht von Köln. Wodak zeigte, wie diese Ereignisse den öffentlichen Diskurs veränderten. Wurde anfangs rational darüber gesprochen, wie den nach Europa geflüchteten Menschen am besten geholfen werden könnte, verlagerten sich die öffentlichen Debatten und das Wording zusehends in Richtung Bedrohung durch die Flüchtlinge.

Wodak sprach von einer „Kulturalisierung des Diskurses“, in dem vor der Überfremdung Europas und einer „Islamisierung“  gewarnt wird, sowie von einer „Rhetorik der Angst“, in der die Flüchtlinge nicht mehr die Bedrohten, sondern die Bedroher sind. „Die Hilfsbedürftigen mutierten zu gefährlichen Wesen.“ Insbesondere zwei Begriffe hätten die öffentlichen Debatten zu bestimmen begonnen: der Schutz der Grenzen sowie die Festlegung von Obergrenzen für Flüchtlinge.

„Grenzmanagement“ wurde zu einem bestimmenden Vokabel. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wurden erneut wieder Grenzzäune errichtet, etwa an der burgenländischen Grenze zu Ungarn sowie am Brenner. Die Schließung der Balkanroute war dann die logische politische Folge.

Als auffallendste Besonderheit im sich wandelnden Diskurs nannte Wodak die Abkehr von rationalen Überlegungen, wie die Flüchtlingsbewegung ökonomisch und sozial gelöst werden könne, hin zu kulturalistischen Metaphern der Überfremdung und Bedrohung durch die geflohenen Menschen. Der „Kampf“ um Begriffe steht – so Wodak – stellvertretend für eine Auseinandersetzung um ideologische Positionen, in diesem Fall also um eher humanitäre Lösungen und Menschenrechte bzw. um Grenzschließung und Abschreckung von „Fremden“.

Im Frühjahr 2019 erscheint der Bericht des umfangreichen Forschungsprojekts im Springer-Verlag.

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