Die Soziologin Lena Seewann (im Bild mit Moderator Stefan Wally) referierte am 28. Oktober 2019 eine Österreich-Studie zu Werten im Kontext von Migration, die sie mit KollegInnen an der Universität Wien durchgeführt hat. Das zentrale Ergebnis: Die Unterschiede zwischen österreichischen StaatsbürgerInnen und Zugewanderten sind gering. 

In der Studie erhoben wurden die Werte bildenden Instanzen, wobei Elternhaus, Partner und Freunde bei Einheimischen wie Zugewanderten den höchsten Stellenwert einnehmen, gefolgt von Schule, Berufsausbildung und Arbeitsplatz, deutlich dahinter Freizeit- oder sozialpolitisches Engagement. Religiöses Engagement wurde nur bei den Zuwanderern der 1. Generation von einem Drittel der Befragten als wertebildend genannt, bei den übrigen Gruppen spiele dieses eine sehr geringe Rolle, so Sewann.

Die Akzeptanz gegenüber Migration sei, so ein Ergebnis der Europäischen Wertestudie, in Österreich seit den 1990er-Jahren gestiegen. Der Frage, ob ÖsterreicherInnen am Arbeitsmarkt bevorzugt werden sollen, stimmten 2016 nur mehr knapp die Hälfte der Befragten zu, 1990 waren es noch über 70 Prozent. Als mögliche Ursachen hierfür nannte die Soziologin die Einsicht in die Notwendigkeit, dass wir zugewanderte Menschen in bestimmten Arbeitsbereichen brauchen, vermehrte persönliche Kontakte, aber auch den Anpassungsdruck der Zugewanderten.

Zugleich habe die Europäische Wertestudie aber ergeben, dass Zugewanderten noch immer geringere Wertschätzung entgegengebracht wird. Auf die Frage „Wie viel liegt ihnen an den Lebensbedingungen von …?“ wurden ältere Menschen sowie Kranke und Behinderte zu über 80 Prozent positiv genannt, gefolgt von Menschen in der Nachbarschaft, Landsleute sowie Menschen in der Region. Zuwanderer rangieren hier mit 33 Prozent an letzter Stelle hinter „Menschen auf der ganzen Welt“ (44 Prozent) sowie „Arbeitslose“ (46 Prozent).

Seewann meint, dass Wertepluralität nötig sei, da jede moderne Gesellschaft in Teilbereiche mit je eigenen Werten und Normen ausdifferenziert sei.

Was Werte sind, wie und ob sich diese von Meinungen, Einstellungen und Haltungen unterscheiden und wo der Wertediskurs Gefahr läuft, instrumentalisiert zu werden – darum ging es auch in der dem Vortrag folgenden Diskussion mit dem zahlreich erschienenen BesucherInnen (die JBZ war wieder ausgebucht!). Mehr zur Studie gibt es hier bzw. in der Publikation „Werte und Wertebildung aus interdisziplinärer Perspektive“, die 2019 im Springer-Verlag erschienen ist.