Warum wollen wir uns selbst optimieren? Diese Frage behandelt ein kürzlich erschienenes JBZ-Arbeitspapier des Politikwissenschaftlers Michael Girkinger, welches im Rahmen der 143. Montagsrunde am 2. März 2020 in der JBZ präsentiert wurde.

Michael Girkinger ging zunächst darauf ein, was Selbstoptimierung überhaupt bedeutet und wie dieses Bedürfnis durch einen rasant wachsenden Markt von Persönlichkeitstrainern und Ratgeberliteratur gesteigert und ausgebeutet wird. Als Ziel der Selbstoptimierung gelten Glück und Erfolg, die als permanent erreichbar und verfügbar dargestellt werden, wenn man sich nur genug bemüht. Faktoren wie soziale Herkunft, Bildung, charakterliche Disposition, aber auch Zufälle werden schlicht ausgeblendet; die Rezepte sind einfach und haben wenig mit dem beharrlichen Arbeiten an sich selbst zu tun, wie es zum Beispiel in Psychotherapien passiert.

Die Gründe, sich selbst zu optimieren, sind durchaus ambivalent. Michael Girkinger verwies dabei auf zwei große Antriebsfaktoren: Einerseits stünden die eigenen Erwartungen und Ansprüche hinter der Selbstoptimierung, welche sich in einer Multioptionsgesellschaft ins Grenzenlose steigern können. Dies ist im Kontext eines Wertewandels zu sehen, der seit den 60er Jahren im Gang ist und Autonomie und Authentizität in den Vordergrund stellt – und damit durchaus nicht nur kritisch zu bewerten sei. Andererseits wird Selbstoptimierung als zunehmend stärker auftretende Anforderung eines neoliberalen Wirtschaftssystems verstanden, welches Anpassung und permanenten Wettbewerb zwischen den Individuen fördert. Man optimiert sich selbst, um den gefürchteten sozialen Abstieg zu vermeiden. Menschen kommen unter Druck; das permanente Streben nach Glück im Wettbewerb mit den anderen wird so zur Quelle des Unglücks.

Dem Vortrag folgte eine sehr lebhafte Diskussion, in der das Publikum eine Reihe von Problemstellungen aufwarf: Etwa, dass Optimierung bereits in der Kindheit beginne und dass das flüchtige Glück die Zufriedenheit als erstrebenswerten Wert abgelöst habe – wodurch aber permanent Frust produziert werde. Eine Debatte entspann sich zur Frage, ob Glück objektivierbar und messbar sei (etwa, wenn es um die Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung von Grundbedürfnissen gehe) oder letztendlich immer subjektives Erfahren bliebe, was Pauschalrezepte für das Glück ad absurdum führt.

Das Arbeitspapier gibt es hier als Download bzw. kann in der JBZ in Print erworben werden.

Moderation & Bericht: Birgit Bahtic-Kunrath