„Mit Bildung die Gesellschaft verändern – aber wie? Ideen für die Schule von morgen“ war Thema einer Zukunftswerkstatt der JBZ bei der Sommerakademie 2021 des Forum Umweltbildung, die unter dem Motto „Denken wir groß“ stand. Carmen Bayer und Hans Holzinger erarbeiteten mit Lehrer:innen, Ausbildner:innen sowie in NGOs Engagierten Vorschläge für ein zukunftsweisendes Bildungssystem, das Nachhaltigkeit ernst nimmt. Offene Lernlabore, die Verbindung von Schule und Leben sowie die Umsetzung neuer Inhalte und Methoden waren einige der entwickelten Ideen. Von den Teilnehmenden formulierte Wünsche an das österreichische Bildungssystem werden an Bundesminister Werner Fassmann übermittelt.

In Brainstormings wurden Lösungen für benannte Probleme gesucht, in Plakatskizzen Entwürfe für eine Schule von morgen erstellt, ergänzt um Zukunftskompetenzen und zu vermittelde Werthaltungen. Offene, helle Räume, Werkstätten und Lernlabore, die Einbindung der Schule in die Gemeinde bzw. den Stadtteil, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Gebäude aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz sowie die Verbindung mit Gärten, Baumhäusern und Wasser kamen dabei immer wieder als Elemente zum Tragen. Dass Lernen auch in der Natur stattfinden kann, zeigten die Zukunftswerkstätten selbst: gearbeitet wurde im Schlosshof von Seggau unter einem großen Nussbaum.

Wünsche an das österreichische Bildungssystem

Gruppe 1:

„Schulen nach außen öffnen, die Einladung von externen Expert:innen sowie die Durchführung von Exkursionen erleichtern“, „Die veralteten Strukturen auflösen und Neues zulassen“, „Projektarbeit fördern und in den Dienstplänen

  • „Allen Kindern und Jugendlichen das Vorleben, was wir von ihnen in Zukunft erwarten – Vorbildwirkung umsetzen“
  • „Verpflichtende Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in den tertiären Bildungseinrichtungen (PHs, Universitäten) umsetzen“
  • „Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung als Schulfach für alle Schulstufen (wie in Italien) einführen“
  • „Ich wünsche mir offenere Zeit- und Raumstrukturen und die Abkehr von den 50-Minuten-Einheiten“
  • „Offenheit für neue Lernformen, auch fächer- und jahrgangsübergreifend, sowie neue Lernorte auch außerhalb der Schule und offene Lernzeiten umsetzen“
  • „Mut zur Innovation“
  • “Eine Existenz begründende Förderung für Privatschulen sicherstellen“
  • „Schule gemeinsam denken – eine partizipatorische Schulentwicklung umsetzen“
  • „Entscheidungen nicht am Schreibtisch treffen, sondern auch die Basis integrieren“
  • „Mir ist wichtig, dass Anliegen von uns Lehrer:innen wahrgenommen werden und wir gemeinsam nach Lösungen suchen“
  • „Ich wünsche mir Lehrer:innen und Schüler:innenparlamente“
  • „Echte Autonomie für Schulen und Pädagogische Hochschulen umsetzen, das bedeutet Personalhoheit und ausreichende Ressourcen, nicht nur Mangelverwaltung“
  • „Bei der Auswahl der Schulleiter:innen auf innovative und kommunikative Fähigkeiten achten“
  • „Ich möchte in Ruhe arbeiten können“
  • „Die Zentralmatura zurücknehmen“
  • „Die finanziellen Mittel für genügend Lehrer:innen sowie Sozialarbeiter:innen und Psycholog:innen an allen Schulen erhöhen“
  • „Kostenfreie Supervision für Pädagog:innen ermöglichen“
  • „Zumindest einen verpflichtenden Berührungspunkt für Lehramtsstudent:innen mit BNE im Studium schaffen“
  • „Ziele, Inhalte, Strukturen und Ressourcen für BNE in Einklang bringen“

Gruppe 2:

  • „Schulen nach außen öffnen, die Einladung von externen Expert:innen sowie die Durchführung von Exkursionen erleichtern“
  • „Die veralteten Strukturen auflösen und Neues zulassen“
  • „Projektarbeit fördern und in den Dienstplänen berücksichtigen“
  • „Innovatives Denken und Handeln der Schüler:innen zulassen und ermutigen“
  • „Ressourcen für Teamteaching bereitstellen“
  • „Lehrpläne entrümpeln und auf das Essenzielle fokussieren, fächervernetzende, partizipative Curricula-Reformwochen durchführen“
  • „Kleinere Klassen von maximal 16 Schüler:innen umsetzen“
  • „In der Grundstufe I der VS die Klassenschülerhöchstzahl von 20 mit doppelter
    Lehrer:innenbesetzung“
  • „Ideen & Wünsche von Pädagog:innen bei Schulentscheidungen und im Schulalltag ernst nehmen“
  • „Finanzielle Ressourcen zur Förderung von Teamteaching, außerschulischem Unterricht und Umsetzung von Nachhaltigkeit als gesamtinstitutionellem Konzept umverteilen“
  • „Mehr ehrliche Autonomie für Schulen ermöglichen“
  • „Best-Practice-Beispielen bekannter machen und an jeder Schule eine/n PR-Mitarbeiter:in installieren“
  • „Mehr Hinwendung zum realen Leben, Lehrpläne und Ressourcenverteilung entsprechend verändern“
  • „Für alle Pädagog:innen einen eigenen, fix ausgestatteten Arbeitsplatz in der Schule garantieren“
  • „Lehrpläne überarbeiten“
  • „Eine stärkere Unterstützung des Forum Umweltbildung durch das Bildungsressort, um Angebote ausweiten zu können“

Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee

Die Zukunftswerkstätten machten deutlich, dass es viel Engagement bei Lehrer:innen und in der Pädagog:innenausbildung Tätigen gibt. Das Aufbrechen der starren zeitlichen und räumlichen Strukturen sowie die Umsetzung von fächerübergreifendem Projektunterricht und Themenlernen wurden in beiden Gruppen mehrfach betont. Dafür braucht es strukturelle Veränderungen, die sowohl projektorientiertes Arbeiten wie auch und Innovationsfreudigkeit an den Schulen fördern. Mehrfaches Thema war auch eine bessere Kommunikation innerhalb der Schulen und mit den Schulbehörden, das Ernstgenommen-Werden der Pädagog:innen sowie der Lehrer:innen im Schulbetrieb sowie das gemeinsame Erlernen von Dialog-Methoden. Gefordert werden die Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht nur in Erlässen, sondern auch in den Ausbildungscurricula, den Schulbüchern und in den Lehrplänen. Vorgeschlagen wurde so wie in Italien ein Unterrichtsfach „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ einzuführen.

Das Einzelkämpfertum soll überwunden, Teamarbeit viel stärker forciert werden. Vorgeschlagen wurden hierfür u.a. Vorkehrungen für die (gemeinsame) Vorbereitung des Unterrichts in den Schulen. Engagement und Mehrarbeit soll nicht (nur bzw. nicht mehr) in der Freizeit stattfinden müssen, sondern honoriert werden. Wie dies im Detail aussehen könnte, müsste erprobt werden. Betont wurde das Lernen aus Best-Practice-Beispielen sowie die Notwendigkeit, eigene gute Projekte über die Schule hinaus bekannt zu machen.

Insbesondere in Gruppe 1, aber auch in Gruppe 2 wurde auf die zunehmende psychische Belastung von Lehrer:innen aufgrund „schwieriger“ werdender Schüler:innen hingewiesen. Vorgeschlagen werden kleinere Klassengrößen, mehr und bessere Unterstützungsangebote sowie regelmäßige Erhebungen zur Belastungssituation in den Schulen.

Es war auffallend, dass die Skizzen zur „Schule von morgen“ einen stark utopischen Gehalt aufwiesen. Offene, helle Räume, Werkstätten und Lernlabore, die Einbindung der Schule in die Gemeinde bzw. den Stadtteil, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Gebäude aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz sowie die Verbindung mit Gärten, Baumhäusern und Gewässern waren wichtige Elemente in den Schulentwürfen. In den Brainstormings und Diskussionen spielte der Schulalltag mit seinen alltäglichen Hürden eine viel stärkere Rolle. Vorgeschlagen wurden hier pragmatische Lösungen, die das Unterrichten erleichtern und die Zusammenarbeit unter den Lehrer:innen verbessern sollten. Wichtig ist und bleibt – auch das wurde vorgeschlagen – dass beim Neu- und Umbau von Schulen innovative Konzepte zum Tragen kommen und die Betroffenen, die Lehrer:innen und Schüler:innen, Mitspracherechte bekommen.

Die Stärkung von Schuldemokratie, die Forcierung neuer Unterrichts- und Lernformate, die Öffnung der Schulen nach außen, die Kooperation von Schulen mit Forschungseinrichtungen sowie die Verankerung von BNE auf allen Ebenen können als wichtige Erkenntnisse und Forderungen für das österreichische Bildungssystem gesehen werden.

Als Zukunftskompetenzen wurden u. a. vernetztes Denken, Kritik- und Selbstkompetenz, Durchhaltevermögen, Selbstwirksamkeit, Handlungsmut und Begeisterungsfähigkeit genannt. Wichtige genannte Werthaltungen sind Achtsamkeit, Diversität und Demut, Empathie, Ehrlichkeit, Fairness, Gleichwürdigkeit, Lebensfreude, Nachhaltigkeit, Offenheit, Solidarität, Transparenz und Weisheit.

Die Rückmeldungen zur Methode der Zukunftswerkstatt waren in beiden Gruppen positiv. Es wurde von mehreren betont, dass sie selbst einmal Zukunftswerkstätten durchführen möchten. Als positiv wurde auch der Austausch mit Personen außerhalb der Schule sowie die methodische Vielfalt gesehen. In Gruppe 1 wurde die hohe Anzahl der Workshop-Teilnehmenden bemängelt; für weitere Sommerakademien sollten (wieder) kleinere Gruppen ermöglicht und mehr Themen angeboten werden. Eine Teilnehmerin hätte sich mehr Visionäres gewünscht. Eine andere bemerkte, dass sehr viel über das Schulsystem und weniger über neue gesellschaftliche Trends und deren Bedeutung für die Bildung der Zukunft gesprochen wurde. Vorgeschlagen wurden Workshops, in denen Best-Practice-Beispiele und Geschichten des Gelingens vorgestellt werden. Eine Teilnehmerin schlug vor, den Angemeldeten bereits vor der Sommerakademie Aufgaben zu stellen, an denen dann vor Ort weitergearbeitet wird.

Insgesamt zeigten die Zukunftswerkstätten, dass partizipative Methoden den Unterricht bereichern und diese bereits in den Ausbildungscurricula verankert werden sollen. Eine wichtige Rolle spielen auch attraktive Schulgebäude mit offenen Räumen und vielfältigen Möglichkeiten.

Die Dokumentation der Ergebnisse wird allen Sommerakademie-Teilnehmenden zur Verfügung gestellt.